China Miéville: “Dieser Volkszähler”

China Miéville: “Dieser Volkszähler”

Das Genre der Phantastik ist eigentlich gar nicht mein Ding, doch dieses Buch hat mich neugierig gemacht. Was ich allerdings dann gelesen habe ist, wie ich finde, gar nicht so phantastisch – es ist ganz großes Kino.

Der Protagonist des Romans ist ein Junge, der gemeinsam mit seinen Eltern auf einem Berg lebt, an dessen Fuße sich ein Dorf befindet. Jedoch untersteht auch sein Zuhause dem Gesetz des Dorfes, was von großer Bedeutung sein wird.
Eines Tages werden die Dorfbewohner Zeuge, wie der der Junge schreiend und weinend ins Dorf gerannt kommt und sagt, dass die Mutter den Vater umgebracht habe. Oder der Vater die Mutter, so sicher ist der Junge sich nicht, aber fest davon überzeugt, dass seine Hände voller Blut seien. An seinen Händen aber klebt nur Dreck.
Was ist wirklich auf dem Berg passiert?

China Miéville nimmt uns hier mit in eine Welt, die archaisch ist, postapokalyptisch, düster und unglaublich fesselnd. Ich habe diese Welt so intensiv gespürt, wie schon lange nichts mehr.
Lange habe ich überlegt, mit was man diese Art der Literatur vergleichen könnte und schließlich ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Mit den Werken von H.P. Lovecraft.

Seine Geschichten haben in meinem Kopf Welten entstehen lassen, wie ich sie nicht für möglich gehalten hätte. Zum Beispiel erinnere ich mich an eine Geschichte aus “Das Grauen im Museum”, als ein Herr sich eine Nacht im Museum einschließen läßt und eine phantastische Welt mit grauenhaften Gestalten entdeckt. Die Bilder habe ich immer noch vor mir, was H.P. Lovecrafts sagenhaften und brillanten Stil zu verdanken ist.
Das kann nur einer, so dachte ich – bis jetzt. Denn China Miévilles Roman steht dem in nichts nach.

Der Unterschied besteht allerdings darin, dass Lovecraft im Gegensatz zu Miéville Horrorelemente benutzt. In Miévilles Welt geht es zwar auch nicht fröhlich zu und es herrscht eine permanent düstere Grundstimmung, doch von Horror würde ich da nicht sprechen. Vielleicht eher von phantastisch-dramaturgischen Elementen.
Zum Beispiel ist es so, dass es auf dem Berg eine Art Höhle gibt, in der sich ein Loch befindet, in das seine Eltern Abfälle werfen – jedoch hört man niemals das Auftreffen der Abfälle auf dem Boden des Lochs. Es scheint unendlich tief zu sein.
Dann bemerkt der Junge eines Tages, dass sein Vater mutwillig Tiere tötet und sie in dieses Loch wirft. Vielleicht hat er genau dies auch mit der Mutter getan, die eines Tages verschwunden ist. Spielt da die Fantasie des Jungen verrückt? Wer weiß…

Von solch einem Loch habe ich schon einmal gelesen, wie mir gerade einfällt und zwar in Jeff Vandermeers Southern-Reach-Trilogie, deren erster Band “Die Auslöschung” heißt.
Auch dort gibt es ein Loch, von dem man nicht weiß, was sich in ihm befindet. Ein Team von Wissenschaftlern beginnt dann dieses Loch zu erforschen, was unheimlich und richtig gut gemacht ist. Jedoch ist dies meiner Einschätzung nach eher der biologischen Science-Fiction-Literatur zuzuordnen.

Miévilles Welt ist ganz anders, postapokalyptisch-realistisch, unglaublich faszinierend und meisterhaft geschrieben.
Davon will ich mehr!

» zur Leseprobe


ISBN: 978-3-95438-071-8
Verlag: Liebeskind
Erscheinungsjahr: 2017
Übersetzung: Peter Torberg
Preis: 18,00 €


Das könnte Dir vielleicht auch gefallen:

6 thoughts on “China Miéville: “Dieser Volkszähler”
Nanni

Hach, jetzt hast du mich aber neugierig gemacht. Ich mag es total gerne, wenn der / die AutorIn so mit dem Leser spielt und man beim lesen den Überblick verliert, was Realität und was Wahrnehmung ist. Das Buch landet direkt mal auf meiner Wunschliste.
Liebe Grüße
Nanni

    Friederike

    Ciao Nanni,

    ich bin sehr gespannt, was Du sagen wirst und wünsche Dir viel Vergnügen bei der Lektüre :).

    Viele Grüße,
    Friederike

sabine

China Mieville steht auch ganz oben auf meiner „endlich mal lesen“-Liste. Vielleicht fange ich mit diesem an, klingt sehr spannend. Liebe Grüße vom Bingereader 🙂

    Friederike

    Ich muß ja zugeben, dass mir China Miéville bis zur Lektüre dieses Buches gar nichts gesagt hatte. Jetzt habe ich Blut geleckt und gesehen, dass es noch zwei Romane („Das Gleismeer“, in diesem Buch geht es anscheinend unter anderem um riesengroße Nagetiere und Maulwürfe und „Perdido Street Station“) als Taschenbuch gibt. Besonders interessieren würde mich ja „Die Stadt und die Stadt“, allerdings gibt es das nur als ebook.
    Wie Deine Wahl auch ausfallen wird, ich wünsche Dir viel Spaß beim Lesen.

    Viele Grüße,
    Friederike

Daniela Walch

Das klingt ja sehr spannend! Auf dieses Buch wäre ich glaub ich auch „einfach so“ nicht aufmerksam geworden. Ich mag solch neue, fantastische Welten.

Ich hab es mir auf jeden Fall mal vorgemerkt (http://buchvogel.blogspot.de/p/warteschlange.html)

    Friederike

    Dann bin ich mal gespannt, was Du dazu sagen wirst und wünsche Dir viel Spaß beim Lesen.

    Viele Grüße,
    Friederike

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Archive