Diese Sendung hatte ich mit Spannung erwartet, zumal ich zwei der zu besprechenden Titel mit Begeisterung gelesen hatte und im Falle von Elena Ferrante wissen wollte, weshalb einer der vier Kritiker diesen Roman zur Vorstellung ausgewählte. Einer/eine mußte ja begeistert von diesem Titel gewesen sein.
Elena Ferrante: “Meine geniale Freundin”
Völlig überrascht war ich, als sich herausstellte, dass Maxim Biller dieses Buch ausgewählt hatte. Mein erster Gedanke war, dass es ihm dann ja wohl sehr gut gefallen haben müsste (was mich überrascht hätte), doch falsch gedacht.
Maxim Biller brach mit einer Regel des Quartetts, die besagt, dass man nur Bücher, die einem gut gefallen haben vorstellen soll. Denn Elena Ferrante hat ihm nicht gefallen, er fand diesen Roman sogar schrecklich. Alles andere hätte mich jetzt auch gewundert.
Biller fand, dass Elena Ferrante sehr konventionell erzählt und ihn störte, daß die Erzählerin nie gebrochen sei. Des Weiteren konnte er sich die Personen nicht vorstellen, die Sprache sei ohne Poesie und habe keinen Moment der Originalität.
Auch ich habe inzwischen in dieses Buch hineingelesen und nach 100 Seiten aufgegeben. Es hat mich schlichtweg nicht interessiert, es gibt interessantere Bücher, wie zum Beispiel die neue Hilary Mantel (“Im Vollbesitz des eigenen Wahns”), die ich gerade lese.
Aber wie Herrn Biller würde es auch mich sehr interessieren, warum dieses Buch so gehypt wird. Was soll so toll daran sein, weshalb war die amerikanische Presse durchweg voll des Lobes und warum haben sich ihre Bücher über eine Million Mal verkauft?
Biller erklärt sich das so: In der heutigen Zeit ist die Sehnsucht nach der vergangenen, einfachen Welt groß und dieser Roman bietet ihn, den schönen Blick in die Vergangenheit. In ein Italien, welches sich die Amerikaner genau so vorzustellen scheinen.
Natürlich hat die “Heiligsprechung” des amerikanischen Kritikers schlechthin (James Wood) viel zu den Lobeshymnen beigetragen.
Vielleicht konnten alle anderen Kritiker gar nicht mehr anders, als einfach nur zustimmen. Wer weiß. Aber das ist jetzt nur eine Vermutung meinerseits.
Des Weiteren äußerte Maxim Biller die Theorie, dass hinter Elena Ferrante ein Autorenteam stecke.
In der Tat ist die Tatsache, dass niemand weiß, wer Elena Ferrante ist, für das Marketing ein gefundenes Fressen ist. Das kann man ausschlachten und ich habe so den Eindruck, dass dieses Mysterium manchmal wichtiger zu sein scheint, als das Buch an sich.
Mara Delius schien dieses Buch nicht so schrecklich gefunden zu haben. Sie hob hervor, dass es sich hierbei um einen Bildungsroman einer Frau handele und erwähnte die Schmucklosigkeit und Schlichtheit der Sprache, was als Kompliment zu verstehen ist. Die Freundschaft sei der springende Punkt an diesem Buch.
Christine Westermann hatte schon bevor klar war, dass man diesen Roman im Quartett besprechen werde, begonnen zu lesen und für sich gedacht: Wenn Du das vorstellst, dann haut Dir Biller das um die Ohren!
Das ausgerechnet dann dieser dieses Buch ausgewählt habe, sei sehr amüsant und sie traue gar nicht es zu sagen dass es ein schlechtes Buch sei, denn es sei unterhaltsam.
Ein Buch für Leser, die wenig lesen.
Volker Weidermann bleibt bei diesem Roman ebenfalls skeptisch.
Abschließend kann ich sagen: Meins war es nicht, aber ich habe schon viele begeisterte Stimmen vernommen und bin mir sicher dass “Meine geniale Freundin” auf der Bestsellerliste landen wird.
(Die Kritiker schlossen das Gespräch mit einem 0:4)
Emma Cline: “The Girls”
Auch die sehr junge Autorin Emma Cline läßt sich prima vermarkten: Sie ist hübsch und hatte nur eine einzige Kurzgeschichte veröffentlicht, bevor sie einen zwei Millionen Dollar Vorschuss auf ihren Roman “The Girls” bekam.
Das ist doch schon mal eine Story.
Eine Story, die es meines Erachtens nach gar nicht gebraucht hätte, denn mich hat dieses Buch vollkommen überzeugt. Ich bin nach wie vor hin und weg.
Es geht in diesem Buch um Evie, die 14 Jahre alt ist, sich schlichtweg nach Aufmerksamkeit sehnt und diese auch bekommt. Ausgerechnet von einem Mitglied der Hippie Kommune/Sekte von Charles Manson.
Hätte ich dieses Buch nicht schon gelesen gehabt und alleine nach der Vorstellung des Titels von Mara Delius entschieden, so hätte ich es vermutlich nicht gekauft. Sie war zwar begeistert von diesem Buch, doch sprang der Funke bei mir, dem Zuschauer, leider nicht über.
Mara Delius ergänzte, dass die Story faszinierend sei, obwohl jeder die Geschichte kenne, denn es geht im Prinzip um Charles Manson und seine Hippie Kommune/Sekte, die viele Menschen auf grauselige Weise getötet habe. Sie erwähnte den ungewöhnlichen Stil, die besondere, poetische, knappe Schärfe, die Maxim Biller manchmal an “Whatsapp-Prosa” erinnerte. Den Stil, in welchem die Kapitel der Protagonistin als in die Jahre gekommene Frau geschrieben sind, fand er hingegen manchmal zu didaktisch.
Des Weiteren sprach Biller von den vielen starken, poetischen Momenten, Westermann von den großartig geschilderten Nöten einer 14jährigen und Volker Weidermann hob hervor, dass die Sprache eine wahre Bilderflut auslöse. Des Weiteren sieht er in diesem Buch einen Künstlerroman bzw. Terrorroman, zumal Charles Manson ja auch Musiker ist, der jedoch scheitert und sich so dem Terror zuwendet.
Wer wissen will, warum ich so begeistert von “The Girls” bin:
» hier geht es zu meiner Besprechung.
(Übrigens waren alle vier Kritiker sehr angetan von diesem Werk und attestierten ihm ein 4:0.)
Han Kang: “Die Vegetarierin”
Tja und dann ist es wieder mal passiert. Volker Weidermann hat das komplette Buch erzählt. Sehr schade.
Ich werde dies nicht tun, sondern nur sagen: Es geht um eine Frau in Südkorea, die beschließt Vegetarierin zu werden, was ungeahnte Folgen hat.
Maxim Biller empfindet dieses Buch als “Steppenwolf von heute”, es sei toll geschrieben und habe die Poesie von Mangas. Natürlich muß er auch etwas kritisieren: Er hätte es lieber gehabt, wenn es besser lektoriert gewesen wäre.
Meine Wette habe ich übrigens verloren: Er hat nicht ein einziges Mal “Kafka” gesagt.
Mara Delius fand zwei Teile des Romans sehr gut, den mittleren Teil jedoch in seiner Schwülstigkeit grauenvoll, wobei Volker Weidermann meinte, da habe Han Kang wohl von Novalis abgeschrieben und ihn habe das alles nicht gestört.
Christine Westermann hat “Die Vegetarierin” übrigens gleich zwei Mal gelesen und beim zweiten Mal den Horror zwischen den Zeilen entdeckt. Sie war fasziniert von diesem Buch.
Mir ging es genauso und wer wissen möchte, weshalb dieses Buch für mich so großartig ist:
» hier geht es zu meiner Besprechung (in der ich den Inhalt nicht vorweg nehme)
(Auch hier sprach das Werk für sich und die Diskussion endete 4:0 für „Die Vegetarierin“)
Elizabeth Strout: “Die Unvollkommenheit der Liebe”
Dass Christine Westermann diesen Titel vorstellen würde, war klar, hatte sie sich doch schon immer sehr für die Romane von Elizabeth Strout ausgesprochen.
Dennoch sagte sie, dass sie beim deutschen Titel dieses Buches mit den Augen gerollt habe, hieße dieses Buch im Englischen doch schlicht und einfach “My Name ist Lucy Barton”. Den deutschen Titel könne sich doch keiner merken. Stimmt, ich musste gerade auch wieder nachschauen.
Allerdings meinte Westermann, dass der Titel doch irgendwie passe, denn es geht um die unvollkommene Liebe zwischen Mutter und Tochter.
Zum Inhalt: Lucy lebt in New York ist Schriftstellerin und hat ihre Kindheit, die davon geprägt war, dass sie immer die Außenseiterin gewesen ist, hinter sich gelassen. Mit ihrer Familie hat sie keinen Kontakt mehr, auch nicht mit ihrem Vater, dessen Leben von etwas das “Das Ding” genannt wurde, geprägt war.
Was “Das Ding” ist, erfährt man allerdings nicht und das schätzt Christine Westermann an diesem Roman. Man müsse nicht alles wissen, um viel denken zu können.
Die Geschichte nimmt ihren Lauf, als die Mutter plötzlich nach Jahren wieder am Krankenbett der Tochter sitzt.
Des Weiteren ergänzt Christine Westermann, dass es sehr lange gedauert habe, bis Elizabeth Strout Erfolg gehabt hätte. Gekrönt wurde eben dieser, als ihr Roman “Mit Blick aufs Meer” mit dem Pulitzer-Prize ausgezeichnet worden ist.
Biller meinte darauf, dass es so lange gedauert habe, da die Autorin erst das Schreiben erlernen mußte.
Des Weiteren sei die Sprache reserviert, biete verklemmte Erklärung und sei insgesamt unehrlich, da die Autorin ihren Anspruch “Das Wichtigste ist Ehrlichkeit” nicht einlöse.
Außerdem gehe in diesem Roman wirklich ein Mann Zigaretten holen und komme nicht zurück. O-Ton: “Was ist das für ein Buch?!”
Aber Biller glaubt, dass die Menschen dieses Buch lieben werden, da der springende Punkt im Roman sei: Eine Frau schaut mit 50 Jahren in den Spiegel und sieht, dass sie etwas verändern muß. So gehe es ja vielen.
Mara Delius sieht ein Problem darin, dass das Leben einer älteren Frau nur als Staunen betrachtet wird. Das sei ihr zu wenig.
Volker Weidermann hingegen ist dankbar dafür, dass er dieses Buch lesen durfte. Die langsamen Bilder der furchtbaren Kindheit fand er unglaublich anrührend. (Ein Wort, das ich ja gar nicht leiden kann, aber das tut hier nichts zur Sache.)
Ich persönlich werde wohl in diesem Leben kein Elizabeth Strout-Fan mehr werden. Amy und Isabelle fand ich nicht schlecht, aber zum Beispiel den hochgelobten Roman “Mit Blick aufs Meer” habe ich drei Mal angefangen und drei Mal vorzeitig beendet.
Geschmäcker sind eben verschieden.
(In Zahlen ausgedrückt heißt es für dieses Buch 2:2)
Insgesamt fand ich diese Sendung in Ordnung, da Protagonisten dieses Mal sehr friedlich waren.
Spannend fand ich das Thema “Elena Ferrante”, denn ich hatte mich nach den gelesenen Seiten gefragt, ob ich vielleicht “falsch lese”, ob man das nicht großartig finden muß, wenn es im Literarischen Quartett besprochen und von aller Welt in den Himmel gelobt wird.
Nach diesem Quartett bin ich erleichtert, denn nicht nur ich scheine mir beim Lesen die Frage: “Aha und jetzt?”gestellt zu haben. Es ist ja ganz nett, aber es hat mich einfach nicht interessiert. Es wird nicht mein Buch werden und den Hype muß ich ja auch nicht unbedingt verstehen.
Jedoch muß ich auch sagen, dass ich, hätte ich nicht schon zwei Titel gelesen und nur aufgrund der Sendung entschieden, ob ich sie mir zulegen solle, oder nicht, wohl keines der Bücher gekauft hätte. Ich hoffe, es geht nur mir so. Denn das wäre sehr schade.
Was hätte ich verpasst: “The Girls” und “Die Vegetarierin” werden mit Sicherheit auf meiner Liste der “Besten Romane 2016” stehen.
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