Hätte ich gewußt, welche Perle da in meinem Regal steht, hätte ich dieses Buch schon viel früher zur Hand genommen.
Was für ein beeindruckender Roman!
Was wir hier in den Händen halten ist keine erfundene Geschichte. Es ist eine Art Biographie der Malerin Charlotte Salomon (1913 – 1943).
Ihr Todesjahr lässt erahnen, dass ihr Leben viel zu früh endete und zwar im KZ Auschwitz-Birkenau.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass wir hier keinen fröhlichen Roman über eine Malerin vor uns haben, die ihr Talent entdeckt und große Erfolge feiert. Ein solches Leben war Charlotte Salomon nicht vergönnt.
Charlottes Tante begeht jungen Jahren Selbstmord, was ihre Schwester (Charlottes Mutter) nicht wirklich verkraftet. Charlotte erhält den Namen ihrer Tante und lernt diesen auf einem Grabstein lesen. Ein hartes Los.
Früh verschlingt Charlotte die Bücher von Goethe, Hesse und Nietzsche, bevor sie ihr Talent entdeckt: Die Malerei. Doch die Nationalsozialisten sind an der Macht. Charlotte ist unglaublich talentiert, doch das hilft ihr nicht weiter, denn sie ist Jüdin.
Ich muß gestehen, dass mir Charlotte Salomon bisher nicht bekannt gewesen ist, doch ist die Kenntnis ihres Werkes keine Voraussetzung für die Lektüre.
Allerdings habe ich dies nach ein paar gelesenen Kapiteln nachgeholt, denn man will ja wissen, wie Charlottes Bilder aussehen, wie sie sich gestalterisch ausdrückt und welches Werk sie hinterlassen hat.
Vor Jahren habe ich einmal David Foenkinos Roman “Das erotische Potential meiner Frau”, in dem es um einen Mann geht, der sich nichts Erotischeres vorstellen kann, als seiner Frau beim Fensterputzen zuzusehen, gelesen und hatte viel Freude daran. Es war leicht, locker und hatte doch das gewisse Etwas.
Seine folgenden Bücher habe ich nicht gelesen, muteten sie mich doch eher romantisch und ähnlich dem bereits erwähnten Roman an, aber ich mag mich täuschen.
Was ich damit ausdrücken möchte ist, dass ich Foenkinos so ein Buch, wie “Charlotte” nicht zugetraut hätte.
Es ist ein schwerer Stoff, dem er sich da angenommen hat und den er in eine besondere Textform bringt.
Der Schriftsatz ist der eines Gedichtes. Mit jedem Satz beginnt eine neue Zeile.
Foenkinos selbst sagt, er habe nach jedem Satz erstmal Luft holen müssen und so sei dieser Schriftsatz nur konsequent gewesen.
Das erzielt seine Wirkung, denn auf diese Weise wird die Tragik von Charlottes Leben noch eindringlicher und tiefer.
Mich haben Foenkinos Worte sehr berührt und meine Stimmung verändert.
“Charlotte” ist kein Roman, den man zuklappt und gleich zum nächsten übergeht, denn dieser Text ist nicht nur einfach ein Text – die Zeilen klingen nach und setzen Charlotte Salomon ein Denkmal.
Ein wirklich großes Buch.
ISBN: 978-3-328-10022-5
Verlag: Penguin
Erscheinungsjahr: 2016
Übersetzung: Christian Kolb
Preis: 10,00 €
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