Der Literatur-Spiegel im August 2017 – Meine Highlights

Der Literatur-Spiegel im August 2017 – Meine Highlights

Im neuen Literatur-Spiegel haben sich die Redakteure erlaubt einige Klassiker der deutschen Literatur auszusortieren. Des Weiteren werden interessante Neuerscheinungen besprochen, die mir ohne diese Ausgabe vielleicht entgangen wären.
Das sind meine Highlights:

Marie NDiaye: “Die Chefin – Roman einer Köchin”

Für ihren Roman “Drei starke Frauen” erhielt Marie NDiaye im Jahr 2009 die wichtigste literarische Auszeichnung Frankreichs, den Prix Goncourt.
Seit Jahren liegt dieses Buch auf meinem Nachttisch, denn ich kenne viele Leser die dieses Werk hellauf begeistert hat. Bisher bin ich allerdings noch nicht zu dieser Lektüre gekommen.
Am 7.August 2017 wird nun NDiayes neuer Roman erscheinen, in welchem sie sich scheinbar einem sehr populären Thema zuwendet. Dem Kochen.

Romane, die sich mit dieser Tätigkeit befassen kommen meiner Erfahrung nach sehr gut beim Publikum an, denn kochen bzw. essen, das ist etwas das interessiert und Emotionen weckt.
Ich selbst habe zwei Lieblingsbücher, die sich mit der Kochkunst befassen. Zum einen ist es Anne Köhlers “Ich bin gleich da” (mein Lieblingsbuch des Jahres 2015) und “Kochen mit Fernet Branca” von James Hamilton-Paterson, das zu meinem großen Bedauern vergriffen ist. Doch ich schweife ab.

Marie NDiayes “Die Chefin – Roman einer Köchin” jedoch dürfte anders sein, als die gerade genannten Titel. Vor allem literarischer.
Des Weiteren scheint der Fokus hier eben nicht auf dem Kochen zu liegen, sondern auf der Biographie der Köchin, besser gesagt auf der “Anti-Biographie”, denn als solche wird dieses Buch vom Verlag angekündigt.
Es gehe hier nicht darum, die Geheimnisse der Köchin auszuplaudern, sondern diese im Text zu verheimlichen. Nur so werde Wahrheit erreicht.  
Das ist ein spannender Ansatz.

Gerade habe ich in dieses Buch hineingelesen und bin sehr fasziniert. Wahrscheinlich werde ich zu diesem Werk Ndiayes greifen – “Drei starke Frauen” muß dann doch noch etwas warten.

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Linda Boström Knausgard: “Willkommen in Amerika”

Der Nachname der Autorin ist kein Zufall, denn sie ist mit dem norwegischen Schriftsteller Karl Ove Knausgard, der durch sein sechsbändiges autobiografisches  Werk (bestehend aus den Einzelbänden “Sterben”, “Lieben”, “Spielen”, “Leben”, “Träumen”, “Kämpfen”) bekannt wurde und vielfach ausgezeichnet worden ist.

Wenn ich mir die Besprechungen dieser Romane anschaue, so kristallisiert sich heraus, dass man seine Romane entweder liebt, oder mit diesen sehr ausführlichen Schilderungen eines Lebens nicht so wirklich etwas anfangen kann. Ich selbst kann man kein Urteil erlauben, denn ich besitze zwar zwei Bände, habe sie jedoch noch nicht gelesen.

So. Jetzt ist etwas passiert, was oft passieren dürfte, wenn man versucht einen Text über Linda Boström Knausgard zu schreiben: Man schreibt zunächst über ihren Exmann, nicht über sie selbst und ihr Werk.
Allerdings ist dieser Fall besonders, denn Karl Ove Knausgard hat in seinen Büchern das Familienleben zum Gegenstand der Literatur gemacht. Er habe in seinen Romanen nicht nur sich selbst entblößt, so schreibt der Spiegel Autor Volker Weidermann, sondern vor allem die Menschen um sich herum. So eben auch seine Frau, die an einer bipolaren Störung erkrankt ist. Eine schwierige Situation.

Dass Linda Boström Knausgard ebenfalls Schriftstellerin ist und bereits vier Romane geschrieben hat, ist mir bisher entgangen. “Willkommen in Amerika” erschien 2016 in Norwegen – nun liegt die deutsche Übersetzung vor.
Und es ist nicht der von allen erwartete literarische Gegenschlag, so Weidermann. Es sei ein diskretes, leises und zartes Buch, in dem es um ein Mädchen namens Ellen geht, das zu verstummen beschließt.

Ellens Mutter wird nicht müde zu betonen, dass sie in einer so wunderbar hellen Familie lebe. Alle sollen fröhlich sein, lebenslustig – so möchte es die Mutter, die Schauspielerin ist. Ihr Ehemann jedoch weigert sich, der Herrscherin des Haushalts zu gehorchen und wird immer depressiver.
Ellen selbst reagiert anders: Sie verstummt und fordert ihre Mutter so heraus.

Lustauflesen und die Kleine Zeitung haben dieses Buch bereits besprochen.

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Jaroslav Kalfař: “Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt”

Schräge Bücher liebe ich sehr, wie zum Beispiel “Onno Viets und der Irre vom Kiez” von Frank Schulz, oder Miranda Julys “Der erste fiese Typ”. Daher ist es kaum verwunderlich, dass “Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt” eine der Neuerscheinungen ist, auf die ich mich in diesem Herbst besonders freue.

Jakub Procházka ist der einzige Tscheche, der bereits einschlägige Erfahrungen im Bereich der Raumfahrt gesammelt hat. Daher wird er an Bord des ersten tschechischen Raumschiffs sein. Alleine.
Im April 2018 ist es schließlich so weit: Die JanHus 1 erhebt sich vom Kartoffelacker.

Nach 13 Wochen an Bord, muß Jakub sich allerdings eingestehen, dass sein Drang die Welt dort draußen zu erforschen gegen Null geht. Ihm ist sterbenslangweilig.
Zwar kann er mit seiner Frau per Video-Chat Kontakt halten, doch dies ändert sich, als sie ihn verläßt. Das war es also, das “spannende Abenteuer” das man ihm versprochen hat.
Doch so alleine an Bord, wie er dachte, ist Jakub nicht…

Ich freue mich auf dieses Buch, das am 5. August 2017 erscheinen wird.

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Hédi Kaddour: “Die Grossmächtigen”

Der in Tunesien geborene französische Autor Hédi Kaddour fand 2005 auch außerhalb Frankreichs Beachtung.  In jenem Jahr erschien sein Werk “Waltenberg”, an welchem er sieben Jahre geschrieben hatte und das die FAZ als “fulminanten Epochenroman” und als “die perfekte Mischung aus dem Zauberberg und den drei Musketieren” bezeichnete.
Nun liegt sein neuer Roman vor und auch nun spricht die Presse von einem großen Weltroman.

Wir befinden uns im Jahr 1922 in Nahbès, einer maghrebinischen Stadt, in der alles soweit in Ordnung zu sein scheint. Bis zu jenem Augenblick, in welchem ein amerikanisches Filmteam auftaucht und Begegnungen zustande kommen, die es normalerweise nicht gegeben hätte. Wie zum Beispiel jene zwischen einem betagten Kolonialisten und einer frechen Journalistin aus Paris.
Eine Art Aufbruchsstimmung scheint zu herrschen, eine nie gekannte Euphorie, doch schon bald wird jeder wieder zu seinem angestammten Platz in der Gesellschaft zurückkehren müssen.

“Die Grossmächtigen” sei ein Buch der lustvollen Grenzgänge und der betörenden Kulturbrüche schreibt die Spiegel-Autorin Christiane Buß. Da bin ich mal gespannt.

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Donato Carrisi: “Der Nebelmann”

“Der Nebelmann” gilt als großer Wurf des italienischen Schriftstellers Donato Carrisi, der bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet worden ist. In Italien jedenfalls war dieses Buch der Renner.

Darum geht es: Vor einigen Wochen ist der top-modisch gekleidete Sonderermittler und Kotzbrocken (so beschreibt ihn der Spiegel-Autor Wolfgang Höbel) namens Vogel in einem kleines Dorf in den italienischen Alpen angekommen, um dem Fall eines vermissten Mädchens nachzugehen.
Jetzt wird er mit blutgestränktem Hemd aufgefunden und behauptet einen Unfall gehabt zu haben. Was nicht stimmen kann, denn die Blutflecken scheinen nicht nur von ihm selbst zu stammen.
Ein Psychologe wird gerufen. Ihm und uns erzählt Vogel von den Geschehnissen der letzten 62 Tage.

Als ich gerade nach Informationen zu Donato Carrisi suchte, stellte ich fest, dass ich vor Jahren einen seiner Krimis gelesen habe. Den “Todesflüsterer”, der derzeit in deutscher Sprache nur noch als ebook lieferbar ist.
Ich erinnere mich jedenfalls, dass dieses Buch sehr grausam war und mich nicht restlos überzeugt hat. Aber vielleicht gelingt dies ja dem “Nebelmann”, der am 4. August 2017 erscheinen wird.


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3 thoughts on “Der Literatur-Spiegel im August 2017 – Meine Highlights
Nanni

Hallo,

das sind ja sehr interessante Romane, die im Literaturspiegel vorgestellt werden.
Von NDiaye habe ich bereits ein Buch gelesen, das sehr großartig geschrieben ist. In „Ladivine“ geht es darum wie wir zu dem werden, was wir sind. Hat mir sehr gut gefallen. Ihr neuster Roman landet somit auf meiner Wunschliste.

Obwohl der erste Band schon seit einiger Zeit in meinem Regal steht, bin ich noch nicht dazu gekommen, Knausgard zu lesen. Das Buch seiner Exfrau klingt aber so, als würde es mir persönlich noch besser gefallen, weil es mich thematisch eher abholt. Ich hoffe, dass sie nicht ständig mit ihm verglichen oder in Verbindung gebracht, sondern als eigenständige Schriftstellerin gesehen wird. Alles andere würde mich an ihrer Stelle sehr nerven.

Liebe Grüße
Nanni

    Friederike

    Liebe Nanni,

    das hoffe ich für sie auch.
    Ladivine muß ich mir gleich mal anschauen. Danke für den Tipp!

    Viele Grüße,
    Friederike

Th. Grzanna-Markowitz

Das unselige Predigen, T. Becker (Literaturspiegel, August 2017)
Upps, das ging wohl bös in die literarischen Windeln des Herrn T. Becker. Setzen wir mal wohlwollend voraus, B. habe die entscheidende Scene des „Nathan“ überhaupt gelesen, so sind seine Einlassungen ein sehr ernst zu nehmender Beleg für die Notwendigkeit der Rezeption des Stückes, mehr noch: auch seiner Umgebungsbedingungen durch die Heutigen!
Dafür sollten wir B. zutiefst dankbar sein.
Woher er seine Erkenntnis zieht, es ginge um die „Botschaft, dass die drei monotheistischen Religionen gleichviel wert seien“, bleibt schleierhaft und läßt sich nicht einmal aus der hinterhältigen Frage des Sultans ableiten, wenn auch zu Lessings Zeiten eine zunehmend anzutreffende Tendenz.
Ein „Lehrstück vom großen Einverständnis“, wo es doch schon am einfacheren „Verständnis“ seitens des B. fehlt? Er hat ja noch nicht einmal erfaßt: Einverständnis womit? Daß dieser nun meint, legitimiert zu sein für die „Botschaft“, „Theater mit Botschaft ist immer bäh“, zeigt einmal mehr die Dringlichkeit humanistischer Bildung in unserer Kultur und wie nötig B. dieser Botschaft bedarf.
Es wäre wünschenswert, würde der Spiegel einiges gerade rücken, wie z.B. daß Lessing an dem „aufgeklärten“ Verweis darauf, daß für die infrage stehende Be“wertung“ ausschließlich das Verhalten des Menschen herangezogen werden kann, gelegen ist. (Die kopernikanische Wende, die die Aufklärung vollzogen hat)(Dies nicht auf seinem „Schirm“ zu haben, sagt nichts über Lessing“, aber viel über die Größe des Schirms des B..)
„Die „Durchführungsbestimmung“ für diese Anschauung hat übrigens Kant mit seinem „Kategorischen Imperativ“ geliefert.
Die leidige Diskussion darüber, ob der Islam (welcher eigentlich?) zu Deutschland gehöre, legt die Vermutung nahe, daß es noch immer um die Rettung der (vermeintlich) christlich-jüdischen „Werte“ zu gehen scheint, also einer Situation noch vor Lessing, und hartnäckig verweigert wird, zur Kenntnis zu nehmen, wohin die Streithanseln dieses Diskurses gehören: ins Mittelalter.
Wo sind eigentlich die Menschen, die die Segnungen der Wandlungen von Welt- und Menschenbild durch die Aufklärung, wie sie sich in den Erfolgen moderner Wisenschaft und Forschung zeigen, dankbar wertschätzen?
Im B.‘s Umgebung wird man wohl vergebens suchen. „Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet“ sollte auch von ihm häufiger aufgesucht werden.
Vielleicht sollte man sich auch mit dem Zitat von Lichtenberg begnügen: „Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?“
Wie jemand auf die Idee kommen kann, zu Zeiten des zivilen Terrorismus, wie er sich in allgemeiner Respektlosigkeit, Geringschätzung von Werten, Rücksichtslosigkeit und blankem Egoismus zeigt, Orientierung, wie sie durch die Aufklärung eingebracht wurde, für obsolet zu erklären sich anmaßt, zeigt dessen offensichtliche Überforderung durch diese „Zumutung“:
„Es strebe von euch jeder um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring‘ an Tag
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
Mit innigster Ergebenheit in Gott33
Zu Hilf‘!“ (III,7)
Herrn B. sei gesagt: si tacuisses, philosophus mansisses!

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