Der Literatur-SPIEGEL im Dezember 2016 – Die Bücher des Jahres 2016

Der Literatur-SPIEGEL im Dezember 2016 – Die Bücher des Jahres 2016

Neben einer sehr guten Kurzgeschichte von James Salter, die dem im Dezember erscheinenden Band „Charisma“mit sämtlichen Stories Salters entnommen ist und die mich daran erinnert, dass “Lichtjahre” noch immer ungelesen auf dem Bücherstapel neben meinem Bett liegt, erzählt uns der Schriftsteller und Träger des Deutschen Buchpreises Bodo Kirchhoff von seiner Reiselektüre.

Derzeit befinden sich drei Romane in seinem Koffer: Die Neuübersetzung von Célines “Reise ans Ende der Nacht”, wobei ich jetzt keine wirkliche Neuübersetzung, sondern nur die mit dem Paul-Celan-Preis ausgezeichnete Fassung von 2003 finden konnte, Marlen Haushofers Roman “Eine Handvoll Leben” (der derzeit allerdings nur antquarisch lieferbar zu sein scheint) und der neu erschienene Roman von Christoph Ransmayr “Cox oder Der Lauf der Zeit”, der auch am 9. Dezember im Literarischen Quartett besprochen werden wird.

Außerdem erzählt uns Kirchhoff von seiner letzten tiefen Leseerfahrung, der Erzählung von Guiseppe Tomasi di Lampedusa “Die Sirene”. Im Mai 2017 erscheint diese Geschichte zusammen mit weiteren Erzählungen des Autors in neuer Übersetzung bei Piper.

Des Weiteren stellen uns die Spiegel-Redakteure die “Die besten Bücher des Jahres 2016” vor.
Das sind meine Highlights:

Heinz Strunk: “Der goldene Handschuh”

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Fritz Honka war 1,68 groß, nicht sehr kräftig, litt sehr unter seinem Sprachfehler und war ein Serienmörder.
Über ihn hat Heinz Strunk, ja, wir sprechen hier wirklich über den “Fleisch ist mein Gemüse” – Strunk, einen Roman geschrieben, der trotz (oder gerade aufgrund) seiner Düsternis und vielleicht auch Abartigkeit, monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste zu finden war.

Strunk hat für dieses Buch über Jahre hinweg Recherche betrieben und die Sache hat sich gelohnt, denn mit diesem Buch hat er sich in eine andere Liga katapultiert – so meinte zumindest eine Kollegin. Denn ich selbst kann mir kein Urteil erlauben, habe ich diesen Roman, der für den Preis der Leipziger Buchmesse 2016 nominiert gewesen ist, bisher leider noch nicht gelesen.
Es scheint jedoch so, als müßte ich dies schleunigst nachholen.

» zum Spiegel-Interview mit Heinz Strunk

» weitere Informationen zu Fritz Honka

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Matthias Brandt: “Raumpatrouille”

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Auch hier stimme ich mit den Spiegel-Redakteuren überein, denn auch ich halte diesen Erzählungsband des Schauspielers Matthias Brandt für eines der besten Bücher des Jahres.

Ruhig, manchmal melancholisch und mit Humor schreibt Brandt von seiner Kindheit als Kanzlerkind.
Seine Art zu schreiben, erinnert mich etwas an den Tonfall von Joachim Meyerhoff, dessen Bücher ich sehr liebe, zumal er mit seinen Geschichten das gesamte Gefühlsspektrum anspricht und einfach alles zu können scheint: Von absurder Komik, bis hin zu tiefer Traurigkeit.
Wer “Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war” und “Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke” noch nicht gelesen hat, dem lege ich diese Titel nachdrücklich ans Herz.

Matthias Brandts Stil ist im direkten Vergleich etwas ruhiger, dennoch nicht minder intensiv.
Ich bin jedenfalls sehr beeindruckt von Brandts literarischem Debüt.

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Christoph Hein: “Glückskind mit Vater”

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“Glückskind mit Vater” ist einer der Titel, der seit seinem Erscheinen auf meiner Leseliste steht und zu dessen Lektüre ich bis zum heutigen Tag leider nicht gekommen bin.

Gerade habe ich noch einen Blick in mein Regal geworfen und festgestellt, dass “In seiner frühen Kindheit ein Garten”, in welchem es um einen Vater geht, dessen Kind die Familie verraten hat, um sich der RAF zuzuwenden, sich ebenfalls ungelesen in meinem Besitz befindet. Da besteht Nachholbedarf, zumal über diesen Roman anscheinend viel diskutiert worden ist und sehr interessant zu sein scheint.

Sowohl in “In seiner frühen Kindheit ein Garten” als auch in “Glückskind mit Vater” spielt die Vaterfigur eine wichtige Rolle genauso, wie die Deutsche Geschichte. Denn in “Glückskind mit Vater” geht es um einen 1945 geborenen jungen Mann, dessen Vater ein NS-Bonze war und ein eigenes KZ für seine Fabrik bauen wollte, so die Spiegel-Autor Christian Buß.
Der Vater wurde hingerichtet, doch wie soll sein Sohn mit dieser familiären Last umgehen.
Flucht scheint die einzige Möglichkeit zu sein.

Mich jedenfalls hat es stark gewundert, dass dieser Titel nicht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises in diesem Jahr aufgetaucht ist, ich hätte eigentlich darauf gewettet.
Und wer sich dafür interessiert, auf welche Romane ich sonst noch gewettet hätte, kann gerne einen Blick auf meine Favoritenliste für den Deutschen Buchpreis 2016 werfen. 

» zur Besprechung von „Glückskind mit Vater“ bei aus.gelesen und Zeichen & Zeiten

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Richard Russo: “Diese gottverdammten Träume”

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Ich muß ja zugeben, dass ich, als Richard Russos “Diese alte Sehnsucht” in deutscher Sprache erschien, gedacht habe, “Och nö, das kaufe ich jetzt nicht ein”, zumal der Guardian dieses Buch als romantische Komödie voller Zuversicht und Humor beschrieb. Davon hatten wir schon genug.  

Erst im Nachhinein stellte ich fest, dass Russo wohl in den USA zu den bedeutendsten Schriftstellern zählt und 2002 für den Roman “Empire Falls” mit dem Pulitzer-Prize ausgezeichnet worden ist.
Zu diesem Zeitpunkt, das war 2010, war “Empire Falls” jedoch noch nicht übersetzt, was mich bei einem Roman mit dieser Auszeichnung nach wie vor stark wundert.
Jetzt wurde dies nachgeholt und Elke Heidenreich hat dieses Buch zu ihrem “Titel des Jahres” in der aktuellen Spiegel-Ausgabe gemacht.

Es geht um eine Kleinstadt in den USA, in der jeder von einem besseren Leben träumt, doch gleichzeitig mitansehen muss, wie die eigenen Hoffnungen und Wünsche einfach nicht Wirklichkeit werden wollen.
Einer dieser Menschen ist Miles Roby, der im örtlichen Diner arbeitet, das College abgebrochen hat und versucht alles richtig zu machen. Gut im Umgang mit seinem dem Alkohol nicht abgeneigtem Vater zu sein und nebenbei seiner Tochter durch die Highschool zu helfen.
Und dann sitzt er abends in seinem winzigen Zimmer, das sich über dem Diner befindet und fragt sich, ob das jetzt alles gewesen sein soll.

Aus diesem Roman erfahren wir, so Heidenreich, wie Gewalt entstehe, nämlich aus einer Mischung aus Kummer, Intoleranz, Vernachlässigung und letztlich auch aus der Dummheit heraus zu Träumen und die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen.

Das hört sich nach einem großen Roman, von dem auch eine meiner Kolleginnen sehr angetan gewesen ist. Hineinlesen werde ich auf jeden Fall.

» zur Besprechung des Romans bei Zeichen & Zeiten

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Ottessa Moshfegh: “McGlue”

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Der Protagonist dieses Romans ist schon etwas ungewöhnlich, zumal er einen gespaltenen Schädel hat, im Gefängnis sitzt und einfach nur noch eines möchte: Weitertrinken.
Einst rettete ihn Johnston, der sein bester Freund geworden ist, vor dem sicheren Kältetod – und genau diesen Johnston hat McGlue nun umgebracht. Da stellt sich natürlich die Frage nach dem Warum.

Es scheint wirklich eine bemerkenswerte und außergewöhnliche Figur zu sein, die sich Ottessa Moshfegh, die für ihre Erzählungen bereits einige Preise erhielt, ausgedacht hat.
Dass “McGlue” mehrfach ausgezeichnet worden ist, spricht für sich und ich habe das Gefühl, dass dieser Roman perfekt in das Verlagsprogramm von Liebeskind passt: Düster, anders, literarisch – ich stelle ihn mir ein bisschen vor, wie die Bücher von Donald Ray Pollock und James Carlos Blake, beides großartige Autoren, die ebenfalls bei Liebeskind verlegt werden.

Mehr zu „McGlue“ weiß Isabella von Novellieren.

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Ottessa Moshfeghs neuester Roman “Eileen”, den es bisher nur in englischer Sprache gibt, hat es übrigens in diesem Jahr auf die Shortlist des Man Booker Prize geschafft und und den PEN/Hemingway Award erhalten.
Ich glaube, auf dieses Buch können wir uns sehr freuen.


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4 thoughts on “Der Literatur-SPIEGEL im Dezember 2016 – Die Bücher des Jahres 2016
Vanessa M.

Hallo Friederike,

Diese gottverdammten Träume von Russo fand ich großartig und es ist eines meinr Jahreshighlights. Ich bin gespannt, wie dir das Buch gefallen wird 😉

Raumpatrouille ist nun endgültig auf meinem Wunschzettel gelandet 🙂

Ich wünsche dir noch einen schönen Abend!

LIebe Grüße, Vanessa

    Friederike

    Liebe Vanessa,

    dann muß ich unbedingt in den Russo reinschauen! Danke.

    Viele Grüße,
    Friederike

Juliana

Jetzt bestärkst du mich nochmal in meinem Vorhaben Raumpatrouille zu lesen 🙂 den Gedanke bzw. die Parallele zu Meyerhoff habe ich schon mal irgendwo aufgeschnappt und seitdem ist meine Neugierde definitiv geweckt. Meyerhoff finde ich nämlich ebenfalls ganz, ganz große Klasse!

Viele Grüße
Juliana

    Friederike

    Ja, Meyerhoff ist genial! Er plant ja insgesamt sechs Bücher zu veröffentlichen, also haben wir ja noch drei vor uns, auf die wir uns freuen können….:)

    Viele Grüße,
    Friederike

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