Deutscher Buchpreis 2017: “Die Hauptstadt” von Robert Menasse

Deutscher Buchpreis 2017: “Die Hauptstadt” von Robert Menasse

Ich erinnere mich, dass ich vor zwei Jahren am Abend der Verkündung des Preisträgers sehr hibbelig war und mitgefiebert habe. In diesem Jahr war das nicht der Fall, denn mein Interesse flaute mit dem Tag der Veröffentlichung der Longlist leider merklich ab.

Zwar fand ich es spannend, auf Titel aufmerksam gemacht worden zu sein, die ich sonst nicht auf dem Schirm gehabt hätte (wie zum Beispiel “Schau mich an, wenn ich mit Dir rede” von Monika Helfer und Jakob Noltes “Schreckliche Gewalten”), doch ich bin ehrlich: Gelesen habe ich kein einziges dieser Bücher.
Zu dieser Zeit erschienen einfach zu viele Romane, die ich spannender fand.

Daher habe ich die Shortlist einfach zur Kenntnis genommen, ohne mich emotional zu beteiligen. Auch gestern Abend habe ich den Preisträger registriert und rein pragmatisch gedacht: Gut, es ist Menasse – von diesem Titel haben wir viele Exemplare vorrätig.
Kein Vergleich zur Verkündung des Literaturnobelpreisträgers in diesem Jahr Kazuo Ishiguro. Als sein Name fiel, habe ich mich richtig gefreut.

Der vielfach ausgezeichnete Robert Menasse ist es also geworden. Der große Name hat das Rennen gemacht, wie auch schon im letzten Jahr. Da war es Bodo Kirchhoff.
Den einzigen Roman, den ich von Robert Menasse bisher gelesen habe ist “Don Juan de La Mancha”. Dies war gleich zu Beginn meiner Ausbildung in der Belletristik – Abteilung und ganz ehrlich, ich kann mich leider an dieses Buch nicht mehr erinnern.
Ganz im Gegensatz zur Lektüre der Werke von Menasses Halbschwester Eva. “Quasikristalle” und “Lässliche Todsünden” fand ich richtig gut. Aber ich schweife ab.

In “Die Hauptstadt” geht es um eine Beamtin der Europäischen Union, die in der Generaldirektion Kultur arbeitet. Sie steht vor einer sehr schwierigen Aufgabe, denn die soll das Image der Kommission verbessern. Ihr selbst mangelt es allerdings an Ideen und so beauftragt sie einen externen Mitarbeiter. Dieser hat auch sogleich einen Vorschlag, der allerdings für Unruhe in der EU-Institution sorgt, zumal er mit David de Vriends Vergangenheit zu tun.
Dieser vegetiert in einem Altenheim vor sich hin und ist gerade im Begriff die Tatsache zu vergessen, dass er damals als Kind dem Deportationszug entkam, der seine Eltern in den Tod fuhr.

Eine weitere wichtige Figur im Roman ist Kommissar Brunfaut, der ebenfalls eine schwierige Aufgabe zu bewältigen bzw. eben nicht zu bewältigen hat. Er soll in einem Mordfall die Ermittlungen einstellen, aus politischen Gründen. Die Akten des Falles haben das geschafft, was Brunfauts Gedanken zu dem Fall bisher nicht gelungen ist: Sie sind verschwunden.

Das klingt schonmal interessant und vielleicht ist die Entscheidung der Jury des Deutschen Buchpreises ja auch ein bisschen politisch motiviert gewesen. Vielleicht wollte man in Zeiten des Brexit das Augenmerk auf die Europäische Union lenken, aber das ist nur so eine Idee.
Die wir vielleicht am besten wieder vergessen, denn es wäre ungerecht Robert Menasse gegenüber, ihn somit nur auf sein Thema zu reduzieren.

Gerade habe ich etwas getan, was ich zuvor nicht getan habe: Ich habe mich in die Leseprobe der “Hauptstadt” vertieft und muss sagen, dass sie sich wirklich gut liest.
Vielleicht habe ich da ja doch etwas verpasst?

Claudia von Das graue Sofa war jedenfalls sehr angetan und auch Peter liest kann die Entscheidung der Jury sehr gut nachvollziehen. Mal sehen, vielleicht greife ich ja doch noch zu diesem Werk.

Gerade lese ich allerdings noch einen Roman, der mich vollkommen begeistert: “Lügnerin” von Ayelet Gundar-Goshen. Dieses Werk hat zwar nichts mit Politik zu tun, aber es geht um Schein und Sein im Kleinen. Im Alltag und darum, was aus einer kleinen Verdrehung der Tatsachen alles werden kann.
Ich werde jetzt weiterlesen und bin jedenfalls sehr gespannt auf morgen. Denn da bin ich wieder in der Buchhandlung und werde sehen, wie viele Exemplare von der “Hauptstadt” über die Ladentheke gegangen sind.
Ich hoffe, die Zahl ist hoch – da bin ich ganz pragmatisch.

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Miss Mesmerized, lustauflesen, Bücherwurmloch, lesesschatz, Der Spiegel, Die Zeit und die NZZ haben „Die Hauptstadt“ ebenfalls bereits besprochen.


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