Edward St Aubyn: „Der beste Roman des Jahres“

Edward St Aubyn: „Der beste Roman des Jahres“

Was für ein Buch! Ich in hellauf begeistert, zumal ich schon vergessen hatte (mein letztes St Aubyn-Buch ist Jahre her), wie satirisch, ironisch und very british Edward St Aubyn schreiben und zwischenmenschliche Verhältnisse auf den Punkt bringen kann.
„Der beste Roman des Jahres“ ist eine treffende Satire auf die Literaturbranche und ich könnte mir unter Umständen vorstellen, dass es auch hierzulande in so mancher Buchpreisjury so zugeht. Hinter den Kulissen versteht sich.

Als Malcom Craig der Vorsitz der Jury des Elysia-Preises (der den besten Roman des Jahres in Großbritannien auszeichnet und als Seitenhieb auf den Booker-Prize verstanden werden kann) angetragen wird, zögert er nicht lange. Schon immer wollte er diese drei Minuten Ruhm genießen, in welchen der Vorsitzende den Preisträger live im Fernsehen verkünden darf und ihm die ganze Welt dabei zuschaut.

Allerdings bedauert es Malcom zutiefst, dass er sich seine Jury-Kollegen nicht selbst aussuchen durfte. Denn jetzt sitzt er da, mit einem Haufen an Dilettanten, die von Literatur keine Ahnung haben.
Genau das Selbe denken allerdings fast alle in der Jury voneinander, auch von Malcom. Wie soll man sich da bloß auf eine Shortlist, bzw. auf einen einzigen Titel einigen?

Zugegeben: Die Menschen in der Jury sind nicht leicht zu handhaben, sind sie doch allesamt Charakterköpfe mit sehr unterschiedlichen Meinungen und Auffassungen was die Literatur anbelangt.
Bei den Autoren allerdings sieht es auch nicht besser aus: Da ist zum Beispiel Kathrine Burns, eine Autorin, die auf der Liste eigentlich nicht fehlen darf. Wie gesagt eigentlich.
Sam ist ebenfalls Autor und Kathrin zutiefst verfallen, doch die beiden sind jetzt eigentlich Konkurrenten, da dürfen persönliche Beziehungen eigentlich keine Rolle spielen. Wie gesagt, eigentlich.
Sonny ist seines Zeichens ebenfalls Schriftsteller und im Bewußtsein aufgewachsen der Größte und Allerbeste zu sein, in allen Lebensbereichen. Er ist der Meinung, dass ihm alle zu Füßen liegen und so ist er vollkommen fassungslos, als sein umfangreiches Werk „Der Maulbeerbaum Elefant“ nicht auf der Liste des Elysias-Preises erscheint. Sofort beschließt nach London zu fahren, um der Jury den Garaus zu machen – was in Sonnys Fall wörtlich zu nehmen ist…

Vor Jahren habe Edward St Aubyns Bücher mit dem tragischen Helden Patrick Melrose gelesen und musste gerade mit Schrecken feststellen, dass diese (zumindest die ersten drei: „Schöne Verhältnisse“, „Schlechte Neuigkeiten“ und „Nette Aussichten“) nicht mehr lieferbar sind, was ich wirklich sehr bedauere. „Muttermilch“ und „Zu guter Letzt“ sind zum Glück noch lieferbar – und ich sehe gerade, dass ein Sammelband der Patrick-Melrose Romane auf Englisch erscheinen wird. Vielleicht besteht ja die Hoffnung, dass es diesen auch im Deutschen geben wird. Es wäre sehr zu wünschen.

Edward St Aubyn verarbeitet in diesen Büchern seine traurige Kindheit und thematisiert die schwierige Beziehung zu seinem tyrannischen Vater und seinen Hang zu Drogen. Das ist einerseits sehr deprimierend, denn der Vater ist wirklich ein Sadist und andererseits ist es aber so gekonnt geschrieben, dass man ganz beeindruckt zurückbleibt.

Nun hat er die Verarbeitung seiner Kindheit und Jugend abgeschlossen und sich vorgenommen, mal etwas Heiteres zu schreiben. Das ist ihm mit „Der Beste Roman des Jahres“ vollauf gelungen. Denn hier werden geistreicher Witz und St Aubyns bitterböser Schreibstil brillant kombiniert.

Ich habe mich auf hohem Niveau bestens unterhalten.


ISBN: 978-3-492-30774-1
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2016
Preis: 9,99 €


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