“Hausbesuch” – Ein Abend mit Katja Lange-Müller

“Hausbesuch” – Ein Abend mit Katja Lange-Müller

Die Autorin Katja Lange-Müller ist auf Einladung des Goethe Instituts im Rahmen des Literaturprojekts “Hausbesuch” nach Freiburg gekommen. Ich durfte am Gesprächsabend in der Buchhandlung Schwarz teilnehmen und habe eine sehr eloquente, dynamische, humorvolle und direkte Autorin kennen lernen dürfen, die kein Blatt vor den Mund nimmt, was mir persönlich sehr sympathisch war.

Boese_SchafeKatja Lange-Müller wurde in Ostberlin geboren und floh 1984 in den Westen. Dort veröffentlichte sie 1986 ihr erstes Werk und erhielt im gleichen Jahr den Ingeborg-Bachmann-Preis für ihren Text “Kaspar Mauser – Die Feigheit vorm Freund”. Danach folgten diverse weitere Preise (unter anderem der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis und der Kleist-Preis) und Stipendien unter anderem in New York und Istanbul.
2007 gelang ihrem Roman “Böse Schafe” der Sprung auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises. Ich habe es leider nicht geschafft, diesen Roman noch vor der Veranstaltung zu lesen, freue mich jetzt aber um so mehr darauf – in meinem Besitz ist er bereits.

In diesem Jahr erhielt Katja Lange-Müller die Gastdozentur für Poetik an der Frankfurter Goethe-Universität und sprach über die Bedingungen und Grundlagen ihrer literarischen Arbeit.
Die Frankfurter Poetikvorlesung besteht seit 1967 und wurde zum Beispiel schon von Günter Grass, Daniel Kehlmann, Martin Walser und Juli Zeh, (die daraufhin ihr Buch “Treideln” verfasste, welches mir so gut gefiel, dass ich es gleich zwei Mal gelesen habe) gehalten.
Ich denke, dass es ein bestimmt ein großes Vergnügen war, Katja Lange-Müllers Vorlesungen zuzuhören, kam ich doch an diesem Abend in den Genuß einer ihrer kurzen pointierten Texte, in welchem es um Gott geht, der sich mit einer anmaßenden Katze über ihre Ernährungsgewohnheiten streitet.

DrehtürAm 11. August 2016 erscheint Katja Lange-Müllers neuer Roman “Drehtür”, auf den ich sehr gespannt bin und von dem ich mir gut vorstellen könnte, dass er auf der diesjährigen Longlist des Deutschen Buchpreises auftauchen könnte. Aber das ist jetzt reines Bauchgefühl.

In diesem Roman geht es um Asta, die 22 Jahre lang bei einer internationalen Hilfsorganisation gearbeitet hat und zuletzt in Nicaragua stationiert war. Sie wäre auch gerne dort geblieben, allerdings wurde sie von ihren Kollegen weggemobbt. Ihre Fehlleistungen hatten sich sich zuletzt gehäuft, so dass man ihr einfach ein One-Way-Ticket schenkte, um ihr klar zu machen, dass sie dort nicht mehr erwünscht war.

Nun weiß Asta nicht, wie es weiter gehen soll, zumal sie sich eigentlich nur dann wohl fühlt, wenn die gebraucht wird. Mit vielen Gedanken im Kopf steht sie nun an der Drehtür des Münchener Flughafens, mustert die Vorbeigehenden und erinnert sich dabei an die Menschen, denen sie im Laufe ihres Lebens begegnet ist.
Tief taucht sie in ihre Vergangenheit ein, erinnert sich zum Beispiel an den Koch in der nordkoreanischen Botschaft und an ihren Exfreund Kurt und mit ihm an turbulente Wochen in einer tunesischen Ferienanlage.
Alle Episoden, an die sie denkt, haben ein Thema: Das des Helfens und den damit verbundenen Risiken.

Das Helfen war auch eines der Themen, mit welchen sich Katja Lange-Müller bei ihrem “Hausbesuch” in Freiburg beschäftigte.“Hausbesuch” ist ein Projekt des Goethe-Instituts, bei welchem zehn Schriftsteller aus europäischen Ländern jeweils eine deutsche und eine weitere europäische Stadt besuchen.
Das Besondere dabei ist, dass es während dieser Zeit keine klassischen Lesungen und offizielle Anlässe zu bestreiten gilt. Vielmehr geht es darum, dass verschiedene private Gastgeber die Schriftsteller bei sich zu Hause empfangen und miteinander ins Gespräch kommen. Der persönliche Austausch zwischen europäischen Bürgern steht im Vordergrund, wobei sich jeder Schriftsteller aussuchen darf, was an den jeweiligen Tagen geschieht.

Katja Lange-Müller hat sich für einen einen Tag bei der Essensausgabe für Bedürftige und einen Besuch bei der in Freiburg lebenden Autorin Annette Pehnt im Öko-Stadtteil Vauban entschieden, der ein Magnet für Touristen ist. Die Autorin hob einerseits die Stille hervor, (dieser Stadtteil teilweise autofrei), bemerkte aber andererseits, wie laut doch eine große Ansammlung von Insekten sein könne.

Des Weiteren traf sie vier Internationale Gäste des Goethe-Instituts Freiburg, tauschte sich mit diesen unter anderem zur Bedeutung des Wortes “helfen” aus und freute sich sehr über die Offenheit der Studenten. Diese Treffen sind auch ein wichtiger Aspekt des Projekts “Hausbesuch”, denn mit jedem Studenten kommt eine interessante Geschichte daher, die sonst der Öffentlichkeit verborgen bleiben würde.
Vielleicht finden sie ja Raum in den Texten der Autoren, die jene im Anschluß an ihren Besuch schreiben werden. Diese Texte werden im Frühjahr 2017 als eBook im Frohmann-Verlag erscheinen und auch auf der Seite des Goethe-Instituts einzusehen sein. Des Weiteren werden sie auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt werden.
Auf die Frage, was sie aus diesem Besuch machen würde antwortete Katja Lange-Müller lakonisch und auf eine unvergleichliche, berlin-typische Art: “Es wird schon was dabei herauskommen.” Das würde sich erst beim Schreiben ergeben.

Neben Katja Lange-Müller nehmen noch neun weitere Autoren am Projekt “Hausbesuch” teil. Diese sind: Alina Bronsky (die ich sehr schätze), Marie Darrieussecq (deren Buch “Man muss die Männer sehr lieben” ich schon so lange lesen möchte), Guy Helminger, Michela Murgia (deren Buch “Accabadora” einfach großartig ist), Jordi Puntí, Sasha Marianna Salzmann, Gonçalo M. Tavares, Annelies Verbeke und David Wagner. 


Ich jedenfalls hatte einen wunderbaren Abend, habe einen kritisch-ironischen Blick von außen auf spezifische Freiburger Themen genossen und bedanke mich herzlich beim Goethe-Institut Freiburg, dem Literaturbüro Freiburg und der Buchhandlung Schwarz fürs Organisieren und für die Einladung.


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2 thoughts on ““Hausbesuch” – Ein Abend mit Katja Lange-Müller
Christina

Ein sehr schöner Beitrag! Zu empfehlen ist auch „Die Letzen“. In diesem Roman schaut Katja Lange-Müller auf den aussterbenden Beruf des Schriftsetzers und generell auf die Zeiten in der DDR. Ein wenig skurril, aber lustig allemal.

    Friederike

    Oh, prima! Vielen Dank für den Tipp. Wird gleich auf die Lese-Liste gesetzt.

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