Mats Strandberg: “Die Überfahrt” 

Mats Strandberg: “Die Überfahrt” 

Lange Zeit war ich krimiabstinent und jetzt lese ich “den schwedischen Stephen King” Mats Strandberg mit viel Vergnügen. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.

Die Ostseefähre “Charisma” ist schon etwas in die Jahre gekommen. Mit ihrem Ambiente zieht sie jedenfalls keine Kunden an – es ist der billige Alkohol, der die Menschen aufs Schiff lockt.

Da ist zum Beispiel Marianne, die früher davon träumte, ein paar Tage nur für sich zu haben und nun sitzt seit geraumer Zeit alleine in der Wohnung und starrt auf die Fotos ihrer Enkelkinder, die sie so gut wie noch nie gesehen hat. Traurig ist das.
Nun hat sie sich zu diesem Abenteuer aufgerafft, einfach gebucht und hofft sehr darauf Anschluss zu finden. Der Alkohol wird es schon richten.

Albin ist mit seinen Adoptiveltern auf der Fähre, um einen Tag mit seiner Cousine und seiner Tante zu verbringen, die er schon lange nicht mehr gesehen und sehr vermisst hat.
Seine Cousine Lo ist für ihn die einzige Person, mit der er reden kann und die ihn nicht hänselt, weil er klein und nicht gut in Sport ist und eine piepsige Stimme hat.
Allerdings sind Lo und ihre Mutter vor einiger Zeit weggezogen und nun muß er feststellen, dass Lo sich stark verändert hat. Sie ist cool geworden – und er nicht.
Daher ist er sich auch gar nicht mehr sicher, ob er sich auf die 24 Stunden an Bord freuen soll, zumal die Beziehung zu seinem Vater sehr schwierig ist.

Seine Mutter, die seit einiger Zeit im Rollstuhl sitzt, sagt immer, dass ihr Mann nur “müde” sei, er habe einen sehr stressigen Job. Dass dies seine drastischen Stimmungsschwankungen, seine Wutausbrüche und Jammerphasen nicht rechtfertigt, ist allen bewußt, nur auszusprechen wagt es niemand.

Jeder auf der Fähre hat sein Päckchen zu tragen, so zum Beispiel auch die Crew, die sich auf eine Überfahrt mit vielen Betrunkenen vorbereitet. Doch mit dem, was dann wirklich geschieht, haben weder sie, noch die anderen Gäste der Fähre gerechnet.
An Bord sind dieses Mal zwei besondere Personen: Eine Mutter, die tonnenweise Make-Up zu tragen scheint und sowieso sehr seltsam wirkt und ihr Sohn. Ein Kind, dessen Zähne allerdings so gar nicht kindlich aussehen: Sie sind gelb und alt.
Das Grauen hat die Fähre bestiegen.

Der Auslöser dafür, dass sich zu diesem Buch gegriffen habe, war der Trailer zur Neuverfilmung des Romans “Es” von Stephen King. Ich habe mich sehr gegruselt und große Lust bekommen “Es” zu lesen, doch ganz ehrlich: Es war der Umfang dieses Horrorklassikers, der mich abschreckte.
In diesem Moment kam mir “Die Überfahrt” gerade recht, zumal ich etwas Spannendes, Actiongeladenes brauchte  – und genau das habe ich auch bekommen.

Das Schöne an diesem Buch ist, dass nicht nur gemetzelt wird. Klar, ab der Hälfte erwartet den Leser dann natürlich doch das unvermeidliche Blutbad, aber Strandberg führt seine Figuren und deren Gefühlswelten sehr geschickt, fein und mit Liebe zum Detail ein.
Jeder hat seine Geschichte und auf der Charisma kommen sie alle zusammen. Das ist richtig gut gemacht.
Das abgeschlossene Setting trägt natürlich viel zur Spannung des Buches bei, denn es ist klar, dass niemand auf einer Fähre entkommen kann.

Wer jedenfalls Lust auf etwas Stephen-King-Artiges, Spannung und etwas Splatter hat, der liegt hier goldrichtig.
Ich jedenfalls habe mich prima unterhalten und bin mir nicht sicher, ob ich eine solche Fähre, wie die Charisma jemals betreten werde.

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ISBN:  978-3-596-29600-2
Verlag: FISCHER Tor
Erscheinungsjahr: 2017
Übersetzung:  Antje Rieck-Blankenburg
Seiten 528
Preis: 9,99 €

Die Paperback-Ausgabe dieses Titels ist 2017 ebenfalls bei FISCHER Tor erschienen.


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6 thoughts on “Mats Strandberg: “Die Überfahrt” 
Tanja

Ah liebe Friederike, auch wenn ES ein dicker Schinken ist. Unbeding lesen! Überhaupt und sowieso gab es ´ne Zeit, da habe ich unheimlich gerne Thriller gelesen, besonders die Bücher von Zoe Beck, Ursula Poznanski , Raymond Chandler, Jilliane Hoffman oder Simon Beckett und Oliver hat unlängst, na ja gut – es ist schon ein Weilchen her, den Elsberg für sich entdeckt. Mal gucken, wenn du schreibst ´schwedischer King` ist meine Neugier geweckt. In Buchhandlungen mag ich diesen Vergleichen nicht trauen, weil jeder irgendwo doch seine ganz besondere eigene Art sich auszudrücken und zu schreiben hat, denke ich.

Liebste Grüße,
Tanja

    Friederike

    Liebe Tanja,

    oh ja, diese Krimiphase hatte ich auch. Ein Thriller nach dem anderen, doch in letzter Zeit habe ich festgestellt, dass es nicht mehr so einfach für mich ist, richtig gut geschriebene Krimis zu finden.
    Gerade habe ich „Into the Water“ von Paula Hawkins gelesen und bin leider nicht sehr angetan. Zu viel Handlung und zu viele Personen – schade. Es hätte gut werden können, doch es fehlt leider die Tiefe.
    Aber ich bleibe ab den Krimis dran und werde mir mal Adam McKinty vornehmen. „Rain Dogs“ liegt schon hier.
    Falls die einen Tipp für mich hast, freue ich mich natürlich!

    Viele Grüße,
    Friederike

    Ich weiß, dass ich ES unbedingt lesen sollte. Ich werde es im Auge behalten :).

Julia

Die McKintys kann ich Dir total empfehlen. Aber lies sie unbedingt der Reihe nach! Der „schwedische King“ auf dem Klappentext hat mich eher abgeschreckt, da ich solche Vergleiche schwierig finde („ES“ ist brillant, unbedingt lesen!!). Aber dank Deiner Rezi kommt es auf den SuB!

    Friederike

    Liebe Julia,

    vielen Dank für den Hinweis!
    Ich hätte jetzt mit Rain Dogs angefangen…

    Viele Grüße,
    Friederike

Peter

Habe nun das Buch die Überfahrt zu ende gelesen. Am Anfang musste ich mich ersteinmal an die Kapitegestaltung gewöhnen, was aber nach einer Weile kein Problem mehr war.
Insgesamt finde ich das Buch spannend und glaubwürdig, nur das Ende ist einfach nur dahin „gesaut“. Es ist völlig unlogisch und auch unglaubwürdig.
Tiefe Wasser, dass zerstören des Herzens oder des Gehirns, hat es geheissen. Und nun sind sie alle Richtung Festland unterwegs. Woher kennen sie die Richtung? Und wieso gibt es noch eine letzte Verwandlung? Was führte die Mutter oder dazu, so zu handel, wo doch alle Anderen deutlich anders drauf sind?
Da habe ich mich schon etwas geärgert, da ja das Buch eigentlich spannend und gut zu lesen ist.
Hätte mir eher eine Art Happy End gewünscht, dann hätte die Vorarbeit der Mutter auch Sinn ergeben.

Ina

Dieser Roman hat mich nach dem interessanten Anfang über weite Strecken gelangweilt. Letztendlich ging es immer wieder um dasselbe Geschehen. Und jedesmal um dasselbe Verhalten der Protagonisten. Abschließend sind die über 400 Seiten es nicht wert, gelesen zu werden. Zumal es sich auf 200 Seiten nur um Wiederholungen handelt! Für mich war es trotz Urlaubslektüre Zeitverschwendung!

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