Knapp, klar und doch lyrisch schreibt Megan Hunter in ihrem Debütroman von einer Naturkatastrophe bzw. einer Art Endzeit in Großbritannien und hat mich mit ihren Worten schwer beeindruckt.
Die Protagonistin ist in der 32. Schwangerschaftswoche, als sich die Nachricht verbreitet, dass das Wasser schneller als gedacht steigen wird. Sie und ihr Freund R wohnen in einer sogenannten “Absaufzone” – als die Lage sich schließlich zuspitzt ist sie mit ihrem Neugeborenen bereits in der Klinik. Sie nennen den Jungen Z.
London ist inzwischen unbewohnbar.
Sie alle versprechen sich viel von einem Umzug zu Rs Eltern, die auf dem Land leben und hoffen, dort eigenes Obst und Gemüse anbauen zu können, zumal die Lebensmittel immer knapper werden. Auch denken alle, dass sie so die Hoffnung aufrecht erhalten können, doch schon bald verlernt R das Lächeln.
Harte Zeiten brechen an.
Das Besondere an diesem Werk ist der Tonfall der Protagonistin: Nüchtern, klar, knapp und doch voller Weisheit. Doch das wichtigste Stilmittel, dessen sich Hunter bedient, ist die der Auslassung.
Alles ergibt einen klaren Sinn, einen klaren Handlungsverlauf, doch einzeln herausgestellten Sätze werden durchbrochen durch aphorismenhafte Gedankengänge.
Genau das ist es, was diesen Text so stark macht.
Wir werden Zeuge einer Welt am Abgrund, einer absoluten Ausnahmesituation und erleben doch, wie Zuneigung entsteht, wie Menschen sich helfen und wie stark Mutterliebe machen kann.
Die Protagonistin erlebt all die einzigartigen Momente in der Entwicklung ihres Sohnes ebenso intensiv, wie es in einer normalen Welt der Fall wäre: Das erste Greifen, das erste Lächeln, das erste Mal, als Z auf zwei Beinen stehen kann. Das gibt ihr Kraft und Mut, obwohl Menschen verschwinden und nie wieder auftauchen.
Ein Buch, welches in ähnlicher Form geschrieben ist, ist Jenny Offills “Amt für Mutmaßungen”.
Auch hier sind die einzelnen Sätze wichtig, die Aussparungen geben Raum für eigenes Denken und obwohl dieses Buch sehr schmal ist, ist es gut, sich bei der Lektüre Zeit zu lassen, zumal sich dann eine größere Wirkung entfalten kann.
Bei “Vom Ende an” ist es genauso. Man mag denken: Ein schmales Buch, das habe ich schnell durch, doch sich bei der Lektüre Zeit zu lassen ist ein Luxus, den man sich gönnen sollte. Man wird mit einer tiefen Lesestimmung belohnt werden.
Einer Stimmung, wie ich sie auch bei der Lektüre von Valerie Fritschs “Winters Garten”, mit welchem der Autorin auf der Sprung auf Longlist des Deutschen Buchpreises 2015 gelang, verspürt habe.
Auch hier befinden wir uns in der Endzeit, allerdings ist diese ungleich düsterer, als Megan Hunters Version. Hunters Protagonistin wagt es Hoffnung zu schöpfen, Hoffnung darauf, dass das Schlimmste nicht eintreten wird.
Hoffen wir mit ihr.
ISBN: 978-3-406-70507-6
Verlag: C.H. Beck
Erscheinungsjahr: 2017
Übersetzung: Karen Nölle
Preis: 16,00 €
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