Sarah Crossan: “Eins”

Sarah Crossan: “Eins”

Sobald es um Schicksalsschläge und Krankheiten etc. in Romanen geht, bin ich immer etwas skeptisch, denn ich habe schon zu viele Bücher gelesen, in welchen es mir zu dramatisch und zu emotional gewollt zugegangen ist.
Bei diesem Roman, der für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2017 nominiert ist, hätte ich allerdings gar nicht skeptisch sein müssen.

Grace und Tippi sind Siamesische Zwillinge und bisher zu Hause unterrichtet worden. Dies war nur möglich, da viele Menschen auf privater Basis für sie gespendet hatten, denn der Vater der beiden hat gerade keine Arbeit. Hinzu kommen die vielen Krankenhausrechnungen, die die Familie ebenfalls selbst zu tragen hat, zumal wir uns in den USA befinden und es dort nicht unbedingt üblich ist, dass die Krankenversicherung, wenn man denn eine hat, alle Behandlungskosten übernimmt. Auch die maßgeschneiderten Kleider für die beiden erhöhen den Kostenberg der Familie.

Da das Geld derzeit sehr knapp ist, die Spenden sind zurückgegangen, ist die erste Sparmaßnahme, dass Grace und Tippi auf eine ganz normale Schule gehen müssen. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Dass sie angestarrt werden ist von vornherein klar, denn was sind sie schon. Freaks. Monster, die an der Hüfte zusammengewachsen sind. Das denken die anderen doch, wenn sie die Schwestern sehen.
Mit allem hat Grace gerechnet, nur nicht damit, dass sie sich verlieben würde und dabei haben sie und Tippi sich doch geschworen, dass genau dies nie passieren wird…

Das Schöne an diesem Roman ist, dass Sarah Crossan sich wirklich mit der Thematik der Siamesischen Zwillinge auseinander gesetzt hat. So erfahren wir zum Beispiel auch einiges über die Brüder Chang und Eng Bunker (1811 – 1874), die unter dem Namen “Die Siamesischen Zwillinge” als Attraktion auf dem Jahrmarkt auftraten und nach denen die Fehlbildung benannt worden ist. Beide lebten lange (was bei Siamesischen Zwillingen nicht selbstverständlich ist), heirateten und hatten viele Kinder, deren Nachkommen sich wohl auch noch heute treffen, um ihre “Väter” zu feiern.

Ich habe viel gelernt in diesem Buch, zum Beispiel, dass viele Siamesische Zwillinge die Geburt nicht überleben, oder mit einem Herzfehler zur Welt kommen und so eine geringe Lebenserwartung haben. Aber auch viel darüber, wie es ist, wenn es zum Beispiel in der Klinik als selbstverständlich angesehen wird, sich nicht nur vor einem Arzt untersuchen zu lassen, sondern sich immer gleich vor einer Herde von Medizinern auszuziehen.

Grace und Tippi jedenfalls waren bisher glücklich, könnten sich nie vorstellen jemals getrennt zu werden und lieben ihr Leben, auch wenn es nicht immer einfach ist. Genau das bringt Sarah Crossan in diesem Roman zum Ausdruck, ohne zu übertreiben, oder gefühlsduselig zu sein. Das ist wirklich schön.

Ab 14 Jahren.

» zur Leseprobe


ISBN: 978-3-95854-057-6
Verlag: Mixtvision
Erscheinungsjahr: 2016
Übersetzung: Cordula Setsman
Preis: 16,90 €


Das könnte Dir vielleicht auch gefallen:

 

4 thoughts on “Sarah Crossan: “Eins”
Julia | Literameer

Hallo Friederike,

vielen Dank für diese interessante Buchvorstellung. Von dem Buch habe ich noch nichts gehört, finde die Thematik aber sehr interessant. Deswegen habe ich mir den Titel gleich mal auf die Merkliste gesetzt.

Liebe Grüße
Julia

    Friederike

    Liebe Julia,

    ja, es ist in der tat einmal ein anderes Thema und hätte mich nicht eine Kollegin auf diesen Titel aufmerksam gemacht, so wäre dieser an mir vorbei gegangen…

    Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag,
    viele Grüße,
    Friederike

Kleinbrina

Ich habe das Buch vor einiger Zeit gelesen und fand es einfach großartig und sehr berührend. Und ja, es ist nicht nur sehr emotional, sondern auch hilfreich. Ich mochte die inneren Konflikte und die Art und Weise, wie alles gemeistert wurde.

Sehr schön, dass das Buch endlich mehr Aufmerksamkeit erhält.

Hab noch einen schönen Abend!

Friederike

Danke, Du auch 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Archive