Zürich liest 2016: “Im Bett mit Thomas Meyer”

Zürich liest 2016: “Im Bett mit Thomas Meyer”

Vor einiger  Zeit habe ich Thomas Meyers Roman “Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse” zur Hand genommen und war so hin und weg, dass ich dieses Buch an einem Abend durchgelesen habe.

thomas_meyer_wolkenbruchEs geht um den jungen orthodoxen Juden Motti, der zum Leidwesen seiner Mutter noch immer nicht verheiratet ist. Das könnte vielleicht daran liegen könnte, dass die Mutter fortlaufend Heiratskandidatinnen anschleppt, die genauso sind wie sie.
Motti aber hat seinen eigenen Kopf und ist auch einer jungen Frau sehr zugetan – einer Mitstudentin, die allerdings eine Nichtjüdin ist, eine Schickse.
Das wird der Mama aber gar nicht passen.

Aber nicht nur seine Hauptfigur Motti ist ungewöhnlich, nein Thomas Meyer selbst ist es. Er ist eine Erscheinung und wenn man ihn zum Beispiel auf der Buchmesse in einem seiner gemusterten und farbenfrohen Anzüge antrifft, wird jedem klar sein, weshalb.
Ein grün-geblümter Anzug ist mir in besonderer Erinnerung geblieben.

Aber nicht nur der Autor, sondern auch das Werk desselben ist besonders, überraschend und vor allem wahnsinnig witzig. Dass dies auch außerhalb der Buchform gilt, beweist Meyers origineller Facebook Account, dem ich mit Begeisterung folge.

Dass sich so jemand für eine Lesung auf ein schnödes Podium begibt scheint abwegig zu sein.
Ist es auch.
Daher las Thomas Meyer im Rahmen des Literaturfestivals “Zürich liest 2016” nicht in einem neutralen Raum, sondern in einem Zimmer des Hotel Rothaus. In einem Bett. Im Schlafanzug. In was auch sonst.

Bevor er aus seinem Roman “Rechnung über meine Dukaten” las, erzählte uns der Autor von seinem ersten Kurztext überhaupt, der an an seinen Vater gerichtet war (“Papi Du bisch äs Arschloch”) und mit dem alles angefangen hat.
Des Weiteren las aus seinem leider vergriffenen Werk “Federhure” einen Text über ein heikles Thema, das vielen bekannt sein dürfte: Das Erklären technischer Funktionen (E-Mail, Anhang einer E-mail, Internet, Handy) und  am Telefon. Wobei man hinzufügen muss, dass sich am anderen Ende der Leitung jemand befindet, der von diesem “modernen Schnickschnack” keine Ahnung hat. Also gar keine.

Es ging um einen jungen Mann, der seiner Mutter einen Link zu einem Spiegel Artikel geschickt hat und nun von der Mutter einen empörten Telefonanruf bekommt, in welchem sie immer lauter werdend wie ein palästinensisches Klageweib wiederholt: “Da kommt nur die Hälfte!”. Wobei diese Formulierung nicht näher ausgeführt wird und somit großen Interpretationsspielraum bietet…. Sie kennen das.
Wir (das Publikum) hatten jedenfalls sehr viel Vergnügen – wir kennen das.

thomas_meyer_dukatenAber zurück zu “Rechnung über meine Dukaten”, einem Roman, der sich weder mit Müttern befasst, noch sonst irgendetwas mit “Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse” zu tun hat.
Es ist eine vollkommen andere Geschichte, auf die Thomas Meyer kam, als er ein Buch mit dem Titel “Lexikon der Exzentriker” las.
Die Idee der Exzentriker gefiel ihm und er begann sich in die Thematik hinein zu vertiefen – hätte er gewußt, so Meyer, wie viel es da zu recherchieren gibt – er hätte es gelassen.

So aber durften wir nun diesem ungewöhnlichen Roman lauschen, in dem es um den Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. geht, der Unsummen für seine Leibgarde aus “Langen Kerls” ausgibt. Er ist regelrecht besessen von diesen großen Männern, diesen Riesen, die er schon mal zwangsrekrutiert, oder sogar entführen läßt.

Zum Schluß las der Autor einen Text über die Bereitschaft von Menschen, sich chinesische Schriftzeichen tätowieren zu lassen, ohne deren Bedeutung nachgeprüft zu haben.
So kommt es zum Beispiel dazu, dass jemand ein Leben lang mit einem Schriftzeichen “Dumme Sau” herumläuft und denkt, es hieße “Ewige Weisheit”.

“Im Bett mit Thomas Meyer” war eine der Veranstaltungen auf die ich mich am meisten gefreut hatte und dies zu Recht, wie sich herausgestellt hat.

Die Schlussworte des Autors hätten übrigens passender nicht sein können:
“Vielen Dank, dass Sie mit mir im Bett waren. Sie waren sehr gut.”

(Thomas Meyers Bücher sind in gebundener Form beim Salis Verlag erschienen. )

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P.S.: Ich habe Thomas Meyer nach Lesetipps gefragt und folgende Titel genannt bekommen, wobei mich der Erste besonders gefreut hat:

Janos Szekely: „Verlockung

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“Verlockung” ist ein Buch, das ich ohne meinen Kollegen Oskar niemals entdeckt hätte und das mich sehr begeistert hat.
Es geht darin um Bela, der in der Zwischenkriegszeit in Ungarn aufwächst und dessen Mutter ihn im Dorf zurückläßt, um nach Budapest zu gehen.

Wer mehr zu diesem Buch wissen möchte:

» hier geht es zu meiner Rezension

» zur Leseprobe

Emanuel Bergmann. “Der Trick”

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Im Jahr 1939 war der “Große Zabbatini” ein sehr erfolgreicher Bühnenzauberer. Das hat sich inzwischen geändert, er ist alt geworden, lebt in Los Angeles und hat den Glauben an die Magie verloren.

Dann wird er jedoch von einem kleinen Jungen aufgesucht, der mit Hilfe der Zauberei die Scheidung seiner Eltern verhindern möchte.

» zur Leseprobe

Jason Starr: “Phantasien”

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In der Savage Lane, einer gepflegten Straße in einem Vorort von New York, scheint alles bestens zu sein. Blickt man jedoch hinter die Fassade, so brodelt es. Jeder hat etwas mit jedem und so mancher hat ein düsteres Geheimnis.

» zur Leseprobe

Jason Starrs Roman/Krimi “Panik” fand ich übrigens genial.


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One thought on “Zürich liest 2016: “Im Bett mit Thomas Meyer”
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