1,07 Millionen Menschen haben gestern Abend das neue Literarische Quartett im ZDF gesehen. Für eine Sendung über Literatur ist das wirklich ordentlich, wie ich finde. Aber die Frage ist ja nicht das “Wieviel?”, sondern eher das “Wie war es?”
Nun ja, ich hatte den Eindruck, dass die Bücher eher sekundär waren und es eigentlich darum ging, sich selbst und sein literarisches Know-How zu präsentieren. Zumindest was die männlichen Kritiker, insbesondere Maxim Biller, anbelangt. Ich finde, er hat seine Rolle als polarisierender Egoist sehr in den Vordergrund gespielt und auch nichts außer seiner eigenen Meinung gelten lassen. Vielleicht wollte er Marcel Reich-Ranickis Rolle übernehmen, doch das ist nicht geglückt. Marcel Reich-Ranicki hat zwar auch immer auf seiner Meinung beharrt, doch tat er dies auf eine sehr sympathische Art und Weise. Ich mochte diese Art sehr und man merkte wie im Literatur am Herzen lag.
Herrn Biller hingegen ging es nicht um die Literatur, sondern um sich selbst. Klar ist es gut, wenn jemand klipp und klar eine Meinung vertritt, aber ich hätte es schön gefunden, wenn er zumindest den anderen (besonders den weiblichen) Teilnehmern zugehört hätte und nicht ständig ins Wort gefallen wäre.
Ich habe nur in dieses Buch reingelesen, daher kann ich mir kein Urteil erlauben, aber wenn ich jetzt nur mal das betrachte, was ich gelesen habe, muß ich sagen: Ganz Unrecht hat er nicht. Mir kam dieses Buch auch sehr gewollt anrührend vor. Mich hat es auch sehr gewundert, dass ausgerechnet dieses Buch zum Besprechen ausgewählt worden ist, denn ich denke entweder man mag diesen süßlichen Stil, oder man mag ihn gar nicht. Dass es bei diesem Titel zum Streit kommt war ja klar, aber es hat mich irgendwie gewundert, dass Herr Weidermann diesem Buch etwas abgewinnen konnte. So hätte ich ihn nicht eingeschätzt. Er sich offenbar auch nicht, denn er war selbst von sich ganz überrascht. Das fand ich sehr interessant.
Ich bin mal gespannt auf diesen Autoren.
Maxim Biller bezeichnete es als “bestes Buch“ und “modernen Klassiker” als “meisterhaft erzählten Konflikt zwischen Kolonialismus und Aberglaube”. Ihm fiel es sehr schwer zu akzeptieren, dass die anderen Teilnehmer ganz anderer Meinung waren. Juli Zeh empfand die Perspektive als schwierig. Volker Weidermann haben die ersten 30 Seiten gar nicht gefallen und gab zu, dass er, hätte er dieses Buch nicht lesen müssen, er dieses abgebrochen hätte. Doch nachdem diese ersten Seiten geschafft waren, habe sich eine unglaubliche Kraft in dieser Geschichte entfaltet, was ihn sehr beeindruckt habe. Christine Westermann hingegen hatte Schwierigkeiten mit der Übersetzung und den ungeschickten Sprachbildern.
Christine Westermann hatte es in dieser Runde sowieso schwer. Die ausgewählten Titel entsprachen nicht ihrem normalen Leseverhalten und ich fand, sie hatte gegen die anderen Teilnehmer einfach keine Chance. Das finde ich problematisch. Ich sehe sie eher in einer anderen Art von Sendung. Einer Sendung in der man Bücher empfiehlt und darüber plaudert und auch mal zwischendurch lacht.
In dieser Runde hat sie eigentlich keine Chance und ich habe das Gefühl, dass die anderen sie nicht als “Auf-einer-Augenhöhe” betrachten. Was ja zugegebenermaßen auch nicht ganz falsch ist. Aber ehrlich gesagt habe ich lieber eine Sendung, in der man Bücher empfiehlt und Lust aufs Lesen macht, anstatt sich gegenseitig ständig beweisen zu müssen, dass man intellektueller ist, als der andere.
Die Balance in diesem Quartett stimmt einfach nicht.
Auch muß ich sagen, dass ich die Auswahl der Titel schwierig fand. Es war kein Buch dabei, bei dem ich vor diesem Abend gesagt hätte: “Ja! Darüber möchte ich mehr wissen!” .
Über Knausgard ist schon so viel gesprochen worden, “Fieber am Morgen” ist zwar ein ganz aktueller Titel, aber (wie ich finde) eher etwas zu unterhaltend für eine solche Sendung, Trojanow fand ich vollkommen uninteressant und Obioma hätte ich jetzt auch nicht unbedingt ausgewählt, vor allem da der Titel jetzt schon ein halbes Jahr alt ist.
Am interessantesten fand ich wirklich “Der dunkle Fluß”, aber ehrlich gesagt habe ich nach dem gestrigen Abend keine große Lust mehr auf dieses Buch. Und auf die anderen (Knausgard jetzt mal ausgenommen, der stand ja sowieso auf meiner zu-lesen-Liste) auch nicht.
Ich wage es auch stark zu bezweifeln, dass diese Titel in den nächsten Tagen im Buchhandel verstärkt nachgefragt werden. Ich finde es schade, dass ich so empfinde und hätte ich mir sehr gewünscht, dass das Interesse für die Bücher im Vordergrund steht. Aber ich fürchte, dass es im Buchhandel keine große Resonanz geben wird.
Ich hätte mir gewünscht, dass zum Beispiel der neue Javier Marias ( “So fängt das Schlimme an”) oder eben Titel, die auf der Frankfurter Buchmesse eine Rolle spielen werden, eine Bühne bekommen. Auch die Neuübersetzungen von Henry James hätten mich sehr interessiert, oder auch Steve Sem-Sandbergs “Die Erwählten”. Aber so eine Auswahl ist ja immer sehr subjektiv.
Mich würde mal interessieren, nach welchem Kriterien da vorgegangen worden ist. Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass jeder ein Buch auswählen durfte. Juli Zeh: “Macht und Widerstand”, Maxim Biller: “Der dunkle Fluß”, Volker Weidermann: “Träumen” und bei “Fieber am Morgen” bin ich mir nicht sicher, aber eigentlich bleibt ja nur Frau Westermann übrig. Aber das sind jetzt ja nur reine Spekulationen.
Ich denke, dass diese Auswahl im original “Literarischen Quartett” nicht so ausgesehen hätte. Aber ich glaube, dass man diese beiden Sendungen sowieso nicht miteinander vergleichen darf. Auch wenn sich dies mehr als aufdrängt.
Das “richtige” Quartett lebte von den Persönlichkeiten und vor allem durch Marcel Reich-Ranicki, der allerseits angesehen und respektiert worden ist. Gegen so eine Persönlichkeit wird es jede andere Konstellation schwer haben, das ist klar.
Eine erste Sendung zu bestreiten ist immer schwierig und ich hoffe, dass es gelingen wird in der zweiten Folge mehr Ruhe hineinzubringen. Man kann sich über Literatur streiten, jedoch finde ich, sollte man die Meinung der andren respektieren und vor allem die anderen Teilnehmer ausreden lassen. Ob das mit Maxim Biller in der Runde gelingen wird, stelle ich jetzt mal so dahin.
Ich gebe dem Ganzen auf jedem Fall noch eine Chance.
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