In den letzten Tagen habe ich mir alle Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe, angeschaut und meine Lieblingsbücher des Jahres 2024 gekürt.
Dabei ist mir aufgefallen, dass so viele humorvolle Titel wie noch nie darunter sind.
Prima! Definitiv ein guter Jahrgang:
André Herrmann: “Schön war´s, aber nicht nochmal”
Es ist Sonntag. 4:04. Andrés Telefon klingelt. Seine Mutter ist dran: “Junge! Wir sind jetzt am Bahnhof und dann so gegen 6:30 am Flughafen.” – “???”- “Haallloooo! Bist Du dran?” – “…dann habt ihr ja nur noch 5,5 Stunden bis zum Abflug. Das könnte knapp werden.” – “Oh Gott! Junge! Ich habe deinem Vater ja gesagt, dass wir am Abend vorher losfahren sollen!!!!!”.
So beginnt im Jahr 2022 Andrés Urlaub mit seinen Eltern.
Seit einiger Zeit liegen sie ihm mit ganz dezenten Bemerkungen in den Ohren. Bemerkungen, die mit Seufzern unterlegt sind und in etwa so lauten: “Ach, wir würden ja auch so gerne mal nach Israel. Wie du vor ein paar Jahren…aber wir kennen uns da ja nicht aus…ob wir das noch erleben werden…?!
Irgendwann ist André eingeknickt – und heute ist es soweit. Der Abflug naht.
Ob 5,5 Stunden am Flughafen wirklich reichen, um den Flieger zu bekommen?!?
Schon als ich die Leseprobe las, dachte ich: Klasse! Das wird super!
Einmal, weil mir der obige Dialog bekannt vorkam und weil ich das Land vor vielen Jahren selbst bereist habe.
Lange Rede kurzer Sinn: Ich bin hin und weg – und habe das Buch bereits an jemanden verschenkt, der demnächst in den Urlaub fährt und etwas zum Lesen braucht, wenn er vier Stunden vor der Abfahrt des Zugs am Bahnhof sitzt….
Stefanie Sargnagel: “Iowa”
Stefanie hat sich entschieden. Sie wird sich von ihrem superbequemen Sofa in Wien erheben, der Einladung eines College in den USA folgen und dort “Creative Writing” unterrichten.
Ob sie das so toll kann, weiß sie selbst nicht, aber ihre Künstler-Freundin Christiane (die ebenfalls mitkommen wird) hat gesagt: „Wenn alles nichts wird, dann spielst du Stadt-Land-Fluss mit lustigen Kategorien. Das geht immer.”
Außerdem meinte sie, Steffi solle ihrem Unterricht eine klare Struktur geben. Also einen Überblick, was in der Stunde so passiert und nicht aus heiterem Himmel sagen: “Jetzt ist der Unterricht aus! Tschüss.”
…was Stefanie natürlich trotzdem tun wird.
Das College liegt übrigens in Iowa und drum herum ist: Nichts. Also gar nichts.
Ein Auto haben sie auch nicht. Christiane ist den Tränen nah.
Als auch noch der Fernsehapparat nicht funktioniert, schlägt sie die Hände über dem Kopf zusammen: “Das ist der schlimmste Tag in meinem Leben.” Ne, Christiane, der kommt noch…
Dieses Buch hätte ich ohne seine Nominierung zum Deutschen Buchpreis 2024 niemals gelesen. Was hätte ich da verpasst!! Stefanie Sargnagels Humor ist genau mein Ding!
Super!
Sarah Gilmartin: “Service”
Es ist jetzt zehn Jahre her, dass Hannah im “T” als Servicekraft gearbeitet hat.
Inzwischen ist sie wieder stabil. Meint sie zumindest.
Doch dann kommt der Schock: Sie soll als Zeugin vor Gericht aussagen. Dem hochdotierten Sternekoch Daniel wird vorgeworfen, sexuell übergriffig geworden zu sein.
Daniel selbst kann es nicht glauben. Wegen dieser absoluten Kleinigkeit muss er sein Restaurant schließen?! Die Klägerin (eine Kellnerin) hat es doch bloß darauf abgesehen, seinen Ruf durch den Dreck zu ziehen und Schmerzensgeld zu bekommen.
Daniels Frau Julie steht unter Schock. Stimmt es, was Daniel vorgeworfen wird?
Ist das Ganze ein Racheakt? Oder kennt sie ihren Mann wirklich nicht…
Was für ein Buch! Zum einen finde ich das Setting wahnsinnig interessant: Ein Nobelrestaurant in Dublin mit einem Sterne-Koch, zu dem alle aufschauen, der sehr von sich überzeugt ist – und der sich alles erlauben kann.
Zum anderen sind die sich abwechselnden Erzählperspektiven sehr spannend: Hannah, Daniel selbst und seine Frau Julie, die ihr Leben lang hinter Daniels Beruf zurückstecken musste. Und die nicht glauben kann, dass er sich im Restaurant wirklich so benommen hat.
Ist es wirklich ihr Mann, der solche Textnachrichten schreibt?!?!
Richtig gut!
Christian Zaschke: “Hell´s Kitchen”
Christian Zaschke (Korrespondent der Süddeutschen Zeitung) erzählt uns hier von seinem Leben in New York.
Ich hatte dieses Buch schon ewig auf meinem eReader. Als ich mal wieder nicht wusste, was ich lesen sollte, habe ich einfach in “Hell´s Kitchen” hineingelesen – und konnte nicht wieder aufhören!
Unbedingt musste ich erfahren, ob die Balkone endlich renoviert werden, bzw. ob die Bauarbeiter jemals wiederkommen, oder ob der Autor sich eben damit abfinden muss, dass es jetzt in seine Wohnung hineinregnet.
Jeden Abend habe ich mich auf Neues aus “Hell´s Kitchen” gefreut und mich dazu gezwungen, nur eine oder zwei (…na gut…maximal DREI) Geschichten zu lesen, um länger etwas vom Buch zu haben.
Auch wenn man nicht vorhat nach New York zu reisen, empfehle ich diese wunderbare und kurzweilige Lektüre.
Rebecca F. Kuang: “Yellowface”
Die amerikanisch-chinesische Schriftstellerin Athena Liu, ist DER junge neuen Stern am Literaturhimmel.
June ist ebenfalls Schriftstellerin und jung. Da enden allerdings die Gemeinsamkeiten.
Für ihre Geschichten interessiert sich niemand.
Der Zufall will es, dass June dabei ist, als Athena unter sehr unglücklichen Umständen ums Leben kommt.
Ebenso zufällig hat Athena June kurz davor ihr neues Manuskript gezeigt – und June hat es eingesteckt. (Letzteres war jetzt eher nicht so zufällig.)
Sie beschließt, es zu überarbeiten und unter einer Art Pseudonym zu veröffentlichen.
June sagt sich, dass das schon okay sei, denn das Thema (chinesische Arbeiter und ihre Heldentaten während des Ersten Weltkriegs) muss erzählt werden. Es ist ja schließlich ein Stück Geschichte. Und wer es veröffentlicht, ist ja sekundär….oder?!
Ja, dieses Buch wurde gehyped und man stellt sich die Frage: Geschieht dies zurecht?! Muss ich “Yellowface” wirklich lesen?
Die Antwort ist: JA!!!! Ein absolutes Knallerbuch. Zwei meiner Kolleginnen haben es (wie auch ich) in einem Rutsch gelesen.
Top!!
Tana French: “Feuerjagd”
Cal, ein US-Polizisten im Ruhestand, lebt seit einigen Jahren in einem Dorf in Irland. Die Einwohner waren ihm gegenüber zunächst skeptisch, doch inzwischen haben sie sich an ihn gewöhnt.
Dazu beigetragen hat auch, dass er sich um Trey kümmert. Ein 15jähriges, in sich gekehrtes Mädchen, das aus einer schwierigen Familie stammt und in Cal eine Art Ziehvater gefunden hat.
Ihr eigener Vater ist vor einigen Jahren abgehauen. Böse war Trey nicht darüber: Er hat seinen Kindern das Blaue vom Himmel versprochen – und nie etwas gehalten. Blau war auch die Farbe der Flecken, die er ihnen und ihrer Mutter verpasst hat.
Reden, ja, reden konnte er. Und gut aussehen auch. Das war es aber auch schon.
Tja. Seit heute ist er wieder da. Und allen ist klar, dass er nicht aus Liebe zu seiner Familie in die triste Provinz zurückgekehrt ist. Er hat einen Plan.
Trey allerdings auch. Sie will sich rächen…
Seit ich vor vielen Jahren “Grabesgrün”* von Tana French gelesen habe, bin ich ein Fan der Autorin.
Ihre Bücher gehen weit über das Krimi-Genre hinaus. Sie schreibt so gut und intensiv, dass sich die Figuren echt anfühlen. Hier wirkt nichts aufgesetzt oder gewollt. Dass sie vielfach ausgezeichnet worden ist, ist nicht verwunderlich.
P.S.: Den ersten Band mit Cal Hooper („Der Sucher“) gibt es bereits als Taschenbuch – und ich fand ihn ebenfalls grandios.
Man muss ihn aber nicht unbedingt gelesen haben, um „Feuerjagd“ zu verstehen.
Charles Lewinsky: “Täuschend echt”
Seit Jahren schon hat er seinen Schwerpunkt gefunden: Er formuliert Werbetexte für Müslis.
Durch einen Kommentar seiner (ehemaligen) Lebensgefährtin (“Solche Texte lässt man heutzutage von einer künstlichen Intelligenz schreiben. Schneller und besser.”) beginnt er mit einem solchen Computerprogramm herumzuspielen. Er möchte ihr beweisen, dass sie Unrecht hat.
Nunja…sie hat leider Recht.
Irgendwann beginnt er die KI mit allem Möglichen zu füttern und merkt: Es macht Spaß!
Mit Hilfe des Programms kann er vielleicht ein Buch schreiben. Und wie es der Zufall so will (bzw. eine Begegnung mit seiner Weltverbesserungsnachbarin) kommt er zu einem Buchprojekt: Er soll Menschen aus armen, krisengebeutelten Regionen der Welt eine Stimme geben.
Doch das Material ist extrem dünn.
Aber: Er hat ja die KI…
Dieses Buch hat so viel Spaß gemacht! Wie Charles Lewinsky hier mit dem Thema der künstlichen Intelligenz spielt, ist so toll!
Ich habe viel gelacht – und das, obwohl ich erst sehr skeptisch war. Denn auf dieses allgegenwärtige Thema “KI” hatte ich ja gar keine Lust.
Aber der Autor macht das so genial. Zum Beispiel, als er das Programm die Begriffe “Ameisenmilch” und “Kontrabassismus” ( […]eine religiöse Bewegung, die sich der Lehre und Praxis des Kontrabasses widmet”) erklären lässt.
Prima für Martin-Suter*-Fans.
P.S.: Wer mehr von Charles Lewinsky lesen möchte:“Doppelpass”*, “Melnitz” und “Gerron” fand ich super!
Calla Henkel: “Ein letztes Geschenk”
Esther hat den Auftrag jetzt doch angenommen. Eigentlich wollte sie ja nicht. Sie ist Künstlerin und Buchbinderin und stellt exklusive wunderschöne handgebundene Blanko-Bücher her.
Als die sehr wohlhabende Naomi sie vor Kurzem fragte, ob sie als Geschenk für ihren Mann Familienalben herstellen könnte, sagte Esther zunächst “Nein”.
Doch die finanziellen Umstände haben sich geändert.
Deshalb sitzt Esther jetzt vor lauter Kisten, in denen sich Fotos, Zeitungsausschnitte und dergleichen mehr befinden, die Naomi seit Jahrzehnten aufgehoben hat.
Das Seltsame an diesem Auftrag ist, dass Esther eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben musste. Sie darf mit niemandem über das Projekt sprechen und auch das Lager, in dem sich die Kisten befinden, wurde professionell gesichert.
Irgendetwas stimmt doch da nicht…oder?!
Dieses Buch ist spannend, macht unglaublich Spaß und liest sich super bei einem Glas Aperol Spritz auf dem Balkon.
Lukas Kinder: “Charly Broms Dilemma”
Charly könnte sich in den Hinter beißen! Warum um Himmels Willen, hat er einen Anruf von einer unbekannten Nummer angenommen?? Das macht er doch sonst nicht!
Niemals!
Jetzt ist es zu spät. Charly hat die Worte am anderen Ende der Leitung gehört – und wird sie nie mehr vergessen.
Vor diesen Worten hat er sich sein Leben lang gefürchtet: “Ich weiß, was damals passiert ist. […] Ich weiß, warum er gestorben ist.”
Charly muss verdrängen. Sofort. Andere Menschen suchen in solchen Situationen Zuflucht in alkoholischen Getränken, Serien, oder Drogen. Doch Charlys Methode ist anders: Er fährt in den Baumarkt, kauft sich eine neue Schaufel und beginnt ein Loch im Garten zu graben.
Diese Verdrängungsaktion löst bei seiner Frau, seinem Sohn und diversen Nachbarn eine gewisse Unruhe aus. Denn Charly kann an nichts anderes mehr denken, als an das Loch.
Irgendwann wird alles zu viel und er muss dem Ganzen auf den Grund gehen.
Und so fährt Charly dorthin, wo alles geschah. In sein Heimatdorf.
Zu seiner Mutter und Großmutter….
Was für ein Spaß! Vor dieser Lektüre war ich lesetechnisch total verzweifelt. Ich fand alles doof. Egal was ich angefangen habe, nichts wollte mir gefallen.
Dann meinte eine Kollegin: Ich glaube, das ist Dein Humor! Recht hatte sie.
Lukas Linders Roman ist voll von trockenem, feinem Witz und situativer Komik.
Des Weiteren hat der Autor ein Händchen für besondere Charaktere. Während des Lesens habe ich durchaus des Öfteren Erleichterung darüber verspürt, mit den weiblichen Hauptpersonen nicht verwandt zu sein…
Jordan Harper: “Alles schweigt”
Mae ist in Hollywood gelandet, jedoch nicht als Schauspielerin oder Regisseurin.
Zwar hat sie in gewisser Weise mit Promis und Stars zu tun, allerdings auf einer eher “geheimeren” Ebene: Sie arbeitet für eine Agentur, die alles dafür tut, Stars vor schlechter Presse zu bewahren.
Im Prinzip ist Mae Krisenmanagerin – und sie hat schon alles gesehen. Schmutzige Geheimnisse sind ihr Alltag. Genauso wie das Bestechen von Journalisten, das Lancieren von Gerüchten, die nicht wahr sind (..oder doch?!) und das Aufwischen jeglichen Drecks, den gewisse Menschen hinterlassen.
Jeder weiß, was hinter den Kulissen läuft, aber niemand redet darüber. Mae hat jeglichen Glauben an die Menschheit verloren, aber naja, irgendjemand muss den Job machen und sie wird gut dafür bezahlt.
Als jedoch ihr Chef auf offener Straße erschossen wird, wird Mae klar, wie heiß das Pflaster wirklich ist, auf dem sie sich bewegt….
Sehr spannend!
Nadia Shireen: “Grimmwald – Lasst die Felle fliegen”
Dieses Buch ist der Knaller! Ich habe so viel gelacht!
Darum geht es:
Nancy und Ted leben in Grimmwald einem Ort der gaaaaanz weit weg ist und an dem sehr spezielle Tiere leben.
Ingrid die Ente zum Beispiel. Sie war früher mal ein glamouröser Filmstar und jetzt ist sie STOCKSAUER!!!
Sie wollte sich nämlich gerade die Wimpern tuschen, als ein Eichhörnchen sie streifte und JETZT SIEH DIR DAS AN!!!! ALLES VERSCHMIERT!! JETZT MUSS ICH MICH ABSCHMINKEN!!!! (…nicht dass Ingrid sonst viel zu tun hätte…).
Aber für die Eichhörnchen ist es gerade sehr wichtig, Baumpoink (die örtliche Sportart) zu üben, denn der fiese Fuchs aus dem Nachbarort (an dem alle sehr höflich sind, sich extrem gewählt ausdrücken und perfekt aussehen) hat die Grimmwalder zum Baumpoink-Turnier herausgefordert.
Wenn seine Mannschaft gewinnt, bekommt er Grimmwald und wird daraus einen Vergnügungspark machen.
OHA!!!
Titus (Grimmwalds Bürgermeister, ein Hirsch, der gerne Liebesfilme schaut und Törtchen isst), hat einen Plan…er kommt auch gleich wieder…alle warten.
Sie warten so lange, dass Ted ein Gedicht schreibt, das Häschen Willow die längste Gänseblümchenkette der Welt flicht und eine Wespe namens Igor vor Langeweile stirbt.
Leute: Freut Euch auch dieses zweite Abenteuer der Grimmwald-Crew!
Ich war hin und weg und empfehle Euch dringend die Lektüre des ersten Bandes, der übrigens eines meiner Highlights des Jahres 2023 gewesen ist.
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