Julie Murphy: “Dumplin`- Go big or go home”

Julie Murphy: “Dumplin`- Go big or go home”

Julie Murphy hat mit “Dumplin´” einen wunderbaren Roman über Freundschaft geschrieben – und darüber, dass es Wichtigeres gibt, als Kleidergrößen.

Willowdean hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass ihre Mutter sie “Dumplin” (Pummelchen) nennt. Solange sie diesen Namen nicht in Gegenwart anderer Leute benutzt, ist es auch nicht schlimm – und Willowdean ist nunmal nicht gertenschlank.
Sie fühlt sich wohl in ihrem Körper. Alles ist soweit in Ordnung.

Bis sie von Bo, der mit ihr zusammen in einem Fast-Food-Restaurant jobbt, geküsst wird und Willowdean sich die Frage stellt, was wohl die anderen denken würden, wenn sie zusammen mit dem gutaussehenden Bo gesehen wird.
Nein, eigentlich fragt Willowdean sich das nicht, sie weiß es: “Was will denn dieser schöne Junge von der Dicken?”.
Will Willowdean das?
Und weshalb ist ihr Selbstbewusstsein seit dem Mittag, an welchem Bo und sie im Pick-Up miteinander rumgeknutscht haben angeknackst?

Als ich “Dumplin” in der Verlagsvorschau gesehen habe, habe ich erstmal weiter geblättert, zumal ich keine Lust auf ein “Liebe-Dich-so-wie-Du-bist”, “Du-kannst-auch-einen-Schönheitswettbewerb-gewinnen-wenn-Du-eine-Kleidergröße-jenseits-der-Norm-trägst” bzw. “Dickes-Mädchen-und-gutaussehender-Junge-verlieben-sich-und-alles-ist-gut” – Buch hatte.
Dann jedoch war eine meiner Kolleginnen so begeistert, dass ich einfach einmal reingelesen habe und bald merkte, dass dieses Buch anders ist.
Denn Willow ist zwar ein starkes Mädchen, jedoch handelt es sich mitnichten um eine Protagonistin, die niemals an sich selbst zweifelt.

Willowdeans Mutter hat vor Jahrzehnten den Schönheitswettbewerb der Stadt gewonnen und ist noch immer im Komitee desselben, was bedeutet, dass einmal im Jahr der Ausnahmezustand herrscht. In Willowdeans Stadt und bei Willowdean zu Hause.
Nur ein einziges Mal jedoch hat Willowdean sich gedanklich mit diesem Wettbewerb auseinandergesetzt und zwar, als sie etwas hörte, was sie nicht hören sollte: Ihre Mutter fragte Willowdeans beste Freundin Ellen (die hinreißend aussieht), ob sie nicht am Schönheitswettbewerb teilnehmen wolle. Ihrer Tochter hatte sie diese Frage noch nie gestellt und Willowdean fragt sich seitdem, ob ihre eigene Mutter sie denn nicht für schön und liebenswert hält.
Das Verhältnis der beiden ist nicht einfach.

Auch die Beziehung zu ihrer besten Freundin Ellen, die in einem Klamottenladen für Teens namens “Sweet 16” jobbt und nur Bekleidung verkauft, in die Willowdean nicht einmal annähernd hineinpasst, ist nicht mehr so, wie sie einmal war.
Denn in “Sweet 16” arbeitet auch Callie, die sich für den Schönheitswettbewerb angemeldet hat und seit Neuestem mit Ellen befreundet ist – und die Willowdean vor einigen Leuten auflaufen lässt, als die Sprache auf den Wettbewerb kommt. “Du nimmst aber nicht teil, oder?”, wirft sie in den Raum.
Eigentlich hätte Willowdean erwartet, dass Ellen sie daraufhin verteidigt. Aber Ellen schweigt.

Auch in anderen Situationen muss Willowdean sich die Frage stellen, ob sie für Ellen vielleicht doch nur die dicke, lustige Freundin ist, durch deren Gegenwart die Schönheit Ellens noch besser zur Geltung kommt. Tief im Inneren weiß Willowdean, dass das nicht sein kann, aber weshalb spricht Ellen dann mit Callie über Dinge, die sie Willowdean nicht anvertraut?

Wenn Willowdean ehrlich ist, dann hatte sie selbst schon einmal ähnliche Gedanken, denn in ihre Schule geht auch Millie. Millie, bei deren Anblick Willowdean oft denkt: Es könnte schlimmer sein.
Denn Millie ist wesentlich umfangreicher, als Willowdean und trägt zudem oft Kleidung, über die sich andere lustig machen. T-Shirts mit Kätzchen und Welpen zum Beispiel, wobei sie diese Kleidung eben nicht ironisch trägt.
Willowdean spricht das, im Gegensatz zu anderen, nicht aus, aber ist sie deswegen besser?

“Dumplin´” ist kein Buch, das dem Leser eintrichtert, dass wir uns doch alle so lieben sollen, wie wir sind. Es ist kein Buch, das mit dem Zeigefinger wedelt und die Welt in gut und böse, schwarz und weiß, oder richtig und falsch unterteilt.
Natürlich geht es um Vorurteile und darum, dass wir uns viel zu viele Gedanken darüber machen, was andere von uns denken, aber Julie Murphy schreibt subtiler und begeht nicht den Fehler, ihre Hauptfigur zur unantastbaren Superheldin zu machen, die über jede Kritik erhaben ist.
Das ist sehr lobenswert.

“Dumplin´” hat Tiefe, wartet mit vielen Gedanken auf, mit welchen ich nicht gerechnet hätte und hat mich damit vollkommen überrascht.
Daumen hoch!

Ab 14 Jahren.

» zur Leseprobe

P.S.: Derzeit wird “Dumplin`” mit Jennifer Aniston verfilmt. Was mich skeptisch macht, ist die Tatsache, dass der Film als “Musical Comedy” bezeichnet wird, was dem Buch nicht gerecht werden würde.
Ich fürchte Schlimmes, hoffe aber das Beste.


ISBN: 978-3-8414-2242-2
Verlag: Fischer FJB
Erscheinungsjahr: 2018
Übersetzung:  Kattrin Stier
Seiten: 400
Preis: 18,99 €


Das könnte Dir vielleicht auch gefallen:

4 thoughts on “Julie Murphy: “Dumplin`- Go big or go home”
Laura K.

Das ist wirklich mal ein geniales Buch mit einem Fazit, auf das viele andere Bücher zu ähnlichem Thema leider nicht kommen…hat mir auch sehr gefallen! 🙂 Bin jetzt öfters auf deinem Blog unterwegs und finde ihn echt super! 🙂 Liebe Grüsse, Laura

Friederike

Ciao Laura,

prima! Das freut mich. Vielen Dank!

Viele Grüße,
Friederike

Jill von Letterheart

Liebe Friederike,

eine wirklich tolle und detailierte Rezension!
Ich habe das Buch auch vor kurzem gelesen und kann mich deiner Meinung nur anschließen 🙂

Liebste Grüße <3 Jill

    Friederike

    Liebe Jill,

    das freut mich :)!

    Viele Grüße,
    Friederike

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Archive