T.C. Boyle: „Hart auf hart“

T.C. Boyle: „Hart auf hart“

Auf den ersten Seiten dachte ich, dass ich im falschen Buch wäre. Es ging gar nicht, wie angekündigt, um einen schizophrenen Waffennarren, sondern um ein Ehepaar auf Kreuzfahrt.
Das hat mich zunächst zugegebenermaßen leicht irritiert. Aber nur ganz kurz, denn nach den ersten zwei Seiten war komplett gefesselt von diesem Buch – und der schizophrene Waffennarr kam einfach etwas später.
Aber der Reihe nach:

Zunächst geht es um Sten, einen Vietnam Veteranen und pensionierten Schuldirektor. Er hat sich von seiner Frau Carolee zu einer Kreuzfahrt überreden lassen und jetzt sitzen sie da. In der glühenden Hitze eines Kleinbusses, der sie zum Tagesausflugsziel in ein Naturschutzgebiet zum Tiere beobachten fahren soll.

Zu Mittag hat Sten fleißig Rum getrunken, denn er traut dem hiesigen Wasser nicht. Es macht einen bestimmt krank. Dann lieber Rum.
Im Bus merkt er, dass es ein Fehler war, keine verschlossene Sprudelwasserflasche vom Schiff mitzunehmen. Sein Durst ist riesig. Carolee hätte zwar eine, doch diesen “Hab-ich-Dir-es-nicht-gesagt”-Triumph will er ihr nicht gönnen.

Einen Sohn hat Sten auch. Nur wird er an diesen nicht sonderlich gerne erinnert, denn Adam (jetzt kommt der schizophrene Waffennarr ins Spiel) ist schwierig. War es schon immer. Mehr als schwierig.
Er hat sich mittlerweile von allem vollkommen abgekapselt und lebt im Haus der verstorbenen Großmutter, das von einer hohen Mauer ohne Tür umgeben ist. Ansonsten baut er Marihuana im Wald an und denkt, dass er ein ein Waldläufer ist, der gegen Aliens zu kämpfen hat.
Außerdem drehen sich in seinem Kopf Rädchen. Ah ja.

Die Vierte im Bunde ist Sara, Mitte 40. Sie hat früher an Stens Schule unterrichtet und hat inzwischen ihr eigenes Unternehmen: Sie kümmert sich um unter anderem um die Hufe der Tiere in der näheren Umgebung.
So weit so gut.

Was Sara allerdings von anderen Menschen unterscheidet ist, dass sie keine (vor allem vom Gesetz und Staat vorgegebenen) Regeln einhält. Das fängt ganz simpel bei der Gurtpflicht im Auto an, weshalb sie auch von der Polizei angehalten wird.
Dabei stellt sich heraus, dass sie kein gültiges Nummernschild hat und auch Führerschein und Zulassung nicht vorzeigen möchte. Woraufhin sie natürlich verhaftet und ihr Dreadlock-Hund über Nacht in einem Tierheim untergebracht wird. “Drohnung! Zwang! Nötigung!” schreit es in Sara und wir merken: Auch Sara ist nicht ganz normal und das potenziert sich, als sie Adam kennen lernt…

Im Grunde genommen gibt es in “Hart auf hart” keine einzige Person, die sympathisch ist. Alle haben einen leichten bis schweren Knall und sehr seltsame Ansichten, beziehungsweise Verhaltensweisen.
Und genau das macht diesen Roman so großartig, denn T.C. Boyle beschreibt diese Figuren und ihr Handeln so präzise, dass man sich von der ersten Seite an in diese Geschichte fallen lassen kann.

Sten zum Beispiel ist ein Egozentriker, der wahnsinnig schnell wütend wird. Diese Wut ist ein Beispiel für Boyles Fähigkeit, den Leser Dinge emotional spüren zu lassen, die rational gesehen vollkommen abwegig sind: Obwohl mir klar war, dass Sten ein unsympathischer, arroganter Idiot ist, habe ich seine Wut beim Lesen direkt erlebt, konnte sie verstehen und vollkommen nachvollziehen. Sten ist wütend, ich bin es auch!

Wenn das ein Autor schafft, dann ist das ganz großes Kino – aber das sind die Bücher von T.C. Boyle eigentlich immer.
Ich jedenfalls bin von „Hart auf hart“ restlos begeistert.

» zur Leseprobe*


ISBN: 978-3-423-14515-2
Verlag: dtv
Preis: 11,90 €
Erscheinungsjahr: 2016
( Die gebundene Ausgabe ist 2015 im Hanser Verlag erschienen)


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