Davide Morosinotto: “Verloren in Eis und Schnee”

Davide Morosinotto: “Verloren in Eis und Schnee”

Nachdem ich so viel Gutes über dieses Buch gehört hatte, war die Lektüre quasi unumgänglich.
Es hat sich so gelohnt!

Früher hat im Winterpalast der Zar gelebt, doch nun gehört dieser dem ganzen Volk, denn wir befinden uns im Jahr 1941.
Also gehört der Palast (und mit ihm auch das Museum der Eremitage), auch ein bisschen Viktor und Nadja, deren Eltern dort arbeiten.
Die Zwillinge lieben die Gemälde im Museum, doch schon bald hat das Leben, wie sie es kennen und lieben, ein Ende.
Leningrad wird von den deutschen Truppen angegriffen.

Der Vater der Familie wird mehr oder weniger gezwungen, sich der “freiwilligen Armee” anzuschließen, um Russland und seine Bürger zu verteidigen. Ob seine Kinder und seine Frau ihn jemals wiedersehen werden, ist ungewiss.
Er versucht die Situation abzuschwächen, doch dass ihm dies nicht gelingt, ist kein Wunder.

Nadja und Viktor stellen sich darauf ein, bei ihrer Mutter in der Eremitage zu bleiben, doch auch dies ist nicht vorgesehen. Die vierzehnjährigen Zwillinge sollen mit dem Zug an einen Ort verschickt werden, der sicher ist. Ihre Mutter schärft ein, sich niemals zu trennen.
Doch am Bahnhof geschieht genau das. Im Durcheinander kommt Nadja in Zug Nr. 76, Viktor in Zug Nr. 77.

Eigentlich sollten beide Züge ans gleiche Ziel fahren. Doch dies ist nicht der Fall.
Während Nadja auf einer Festung im Ladogasee strandet, landet Viktor in einem Straflager im Osten des Landes.
Die Zwillinge haben fortan nur ein Ziel: Sich wiederzusehen.

Im Vergleich zu anderen Themen (Liebe, Freundschaft, Schule, Fantasy…) erscheinen relativ wenige neue Jugendbücher zu geschichtlichen Themen. Zumindest habe ich das in den letzten Jahren so wahrgenommen.
Allerdings muss man auch sagen, dass die sich die Nachfrage in Grenzen hält.
Seit
„Die Bücherdiebin“* und „Der Junge im gestreiften Pyjama“*(und das ist jetzt wirklich schon lange her) hat es keine Neuerscheinung mit geschichtlichem Hintergrund gegeben (ich beziehe mich jetzt ausschließlich auf Neuerscheinungen im Jugendbuchbereich), die sich richtig oft verkauft hat.

Klar, es gab ein paar spannende Titel, wie zum Beispiel
„Auf der richtigen Seite“* von William Sutcliffe, in dem es um die Konflikte zwischen Israel und Palästina geht und „Keiner kommt davon“*von Sally Nicholls. In diesem Roman geht es um die Pest und um ein Mädchen, das feststellt, dass Menschlichkeit in dieser fürchterlichen Zeit keine Rolle mehr zu spielen scheint. Genau dagegen wehrt sie sich.

Außerdem ist gerade  “Das Jahr in dem ich lügen lernte” von Lauren Wolk in der Taschenbuchausgabe erschienen. Ein Buch, das mir sehr gut gefallen hat, wobei der Zweiten Weltkrieg hier eher eine Nebenrolle spielt.
Alle diese Titel habe ich an den Mann gebracht, allerdings nicht stapelweise.

Mit “Verloren in Eis und Schnee” ist nun ein Roman erschienen, der mich sehr begeistert und mitgerissen hat – und nicht nur mich. Der Literatur-Spiegel wählte ihn zum “Jugendbuch des Jahres 2018”.
Besonders ist nicht nur die spannende, abenteuerliche Geschichte und die Aufmachung (es befinden sich viele Karten etc. im Buch), sondern auch die Art des Aufbaus. Denn Davide Morosinotto erzählt nicht einfach die Geschichte von Viktor und Nadja, nein, er fügt einen dritten Protagonisten ein.

Nadja und Victor haben von ihrem Vater rote dünne Hefte bekommen, um Tagebuch zu führen. Dies tun sie mit Begeisterung, lesen ihre Einträge gegenseitig und kommentiere diese.
Als die beiden getrennt werde, schreiben sie unabhängig voneinander weiter, damit der jeweils andere lesen kann, wie es der Schwester/dem Bruder ergangen ist.

Genau diese Hefte liegen ein paar Jahre später auf dem Schreibtisch von Oberst Smirnow.
Er soll diese lesen und darüber entscheiden, ob Nadja und Viktor Straftaten begangen haben und somit inhaftiert werden, oder nicht.

Wir begleiten Oberst Smirnow, der zu Beginn davon überzeugt ist, zwei Schuldige vor sich zu haben, bei seiner Lektüre und lesen seine Bemerkungen am Rande der Hefte.
Zum Beispiel schreibt er, als es Viktor gelingt, sich eine Waffe zu beschaffen:

“Erwerb eines Objekts illegaler Herkunft, § 208.
Unerlaubter Waffenbesitz § 2018.”

Zu einer Situation, in welcher ein russischer Matrose auf die Deutschen schießt und somit einigen anderen russischen Bürgern das Leben rette schreibt er:

“Für eine Auszeichnung vorschlagen? Vollständigen Namen und Dienstgrad ermitteln!”

Diese Anmerkungen machen dieses ohnehin schon hochinteressante Buch noch interessanter.
Der Leser lernt hier unglaublich viel über die Situation Russlands während des Zweiten Weltkriegs und zum Beispiel darüber, dass in der Presse gezielt falsche Informationen gestreut wurden, um den Menschen vorzugaukeln, dass alles in Ordnung ist – oder um ihnen Angst einzujagen. Je nachdem.

Was Nadja und Viktor erleben ist allerdings hart, daher sollte man bei der Lektüre nicht zimperlich sein und sich vor Augen halten, dass wir uns im Zweiten Weltkrieg befinden.
Es gibt viele Tote. Zum Beispiel ist da der kranke Junge, dessen Schlitten von Viktor gezogen wird, zumal er sich kaum noch aufrecht halten kann.
Als sie eine kurze Pause machen, muss Viktor feststellen, dass sein Weggefährte erfroren ist.

Die Altersempfehlung dieses Buches liegt bei 12 Jahren. Ich tendiere eher zu 13 bzw. 14. Jahren.
Es kommt aber auch immer auf den jeweiligen Jugendlichen an.
Ich jedenfalls finde dieses Werk großartig, denn es transportiert Geschichte lebendig und ohne Geschehenes zu beschönigen.
Außerdem kann man sich wunderbar mit Nadja und Viktor identifizieren, zwei starken Jugendlichen, die sich nicht unterkriegen lassen.

» zur Leseprobe*


ISBN: 978-3-551-31963-0
Verlag: Thienemann
Erscheinungsjahr: 2020
Übersetzung: Cornelia Panzacchi
Seiten: 448
Preis: 9,99 €

Die gebundene Ausgabe dieses Titels ist 2018 bei Thienemann erschienen.


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3 thoughts on “Davide Morosinotto: “Verloren in Eis und Schnee”
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Daniela, der Buchvogel

Hallo Buchbloggerin,
ich habe mich für dieses Buch interessiert ohne dass ich gewusst habe, dass es ein Jugendbuch ist. Ich hab es selber in der Geschichte mitbekommen, denn die Erlebnisse sind zwar hart, aber die Jugendlichen bewahren eine feste Moral und es gibt sozusagen eine Grenze, die nicht überschritten wird.
Ich fand die Geschichte richtig gut und war so frei, dich bei mir zu verlinken: https://buchvogel.blogspot.com/2019/02/verloren-in-eis-und-schnee.html
LG
Daniela

    Friederike

    Liebe Daniela,

    dann sind wir ja einer Meinung :).
    Danke für die Verlinkung.

    Viele Grüße,
    Friederike

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