Chris Brookmyre: „Dein Ende“

Chris Brookmyre: „Dein Ende“

Christopher Brookmyre ist der Spezialist für raffinierte Krimis, die einfach Spaß machen.

Wenn ein Mann seine Frau umbringt, sagen die Leute: Naja, sie wird ja wohl etwas geahnt haben. Oder: Das ist ja ganz schrecklich. Die Arme.
Wenn eine Frau jedoch ihren Mann umbringt, sind die Reaktionen anders.
Niemals würde die Presse die Schuld beim Opfer suchen. Keiner würde schreiben “Man kann das nicht entschuldigen, aber das Ganze wäre nie passiert, wenn er sie nicht provoziert hätte.”

Mit Mord im Affekt kann die Presse umgehen, aber nicht mit einer schlauen, berechnend agierenden Frau, die einen Plan hat, der sehr komplex ist. Einer Frau, wie Diana.

Dass Diana eine erfolgreiche Karriere als Chirurgin hingelegt hat, ist ihrem Vater zu verdanken. Er war derjenige in der Familie, der morgens zur Arbeit ging und abends müde aus dem OP zurückkehrte um das zubereitete Mahl seiner Gattin zu genießen. Danke Liebling.
Dass diese Frau auch Ärztin ist, erfuhr Diana eher nebenbei. Als sie mit ihrem Krankenhaus-Set spielte, stellte sie fest, dass alle Figuren (Patientinnen, Krankenschwestern..) weiblich waren.
Mit zwei Ausnahmen: Den Ärzten.
Als Diana ihre Mutter fragte, warum denn nicht auch Frauen Ärztinnen sein könnten, erfuhr sie, dass ihre Mutter ebenfalls ein Medizinstudium absolvierte, aber nie praktizierte, sondern Hausfrau und Mutter wurde.
Das Schlimmste für Diana war, dass dies ihrer Mutter anscheinend nicht ausmachte.

Daher beschloss sie Chirurgin zu werden. Ihren Vater machte sie damit nicht stolz, sondern sauer. Er wollte, dass seine Söhne diesen Beruf ergreifen, nicht seine Tochter.
Naja, man kann es nicht allen recht machen.

Dianas Passion ist ihre Arbeit und inzwischen hat sie sich einen Ruf erarbeitet, der ihr vorauseilt.
Denn nebenbei betreibt sie den anonymen Blog “Scalpelgirl”, in welchem sie Missstände in der Welt der Medizin anprangert.
Sie schreibt von Dingen, die sonst niemand anzusprechen wagt, wie zum Beispiel von den Wutausbrüchen der Chirurgen im OP, vor welchen alle Angst haben.
Würde sich eine Frau so etwas leisten, wäre sie bei allen als hysterische Ziege unten durch, doch bei einem Mann wird dieses Verhalten entschuldigt.
Den Kommentaren ist zu entnehmen, dass die beschriebenen Situationen nicht erfunden sind….

Als Diana jedoch einen Artikel schreibt, in welchem sie die Informatiker des Krankenhauses als Blödmänner und Versager hinstellt, muss sie feststellen, dass sie sich mit der falschen Berufsgruppe angelegt hat.
Bisher war sie anonym, jetzt weiß jeder wer hinter “Scalpelgirl” steckt.
Fortan ist Diana besser bekannt als “Die Bladebitch”.

Dass sie dann ausgerechnet einen Informatiker, der im gleichen Krankenhaus arbeitet, heiratet, wundert alle.
Dass dieser jedoch nach einem halben Jahr einen Unfall hat und die Leiche nicht gefunden werden kann, wundert niemanden.
Hat Dianas Wut auf die Männer ihren Gipfel erreicht?
Hat sie ihren eigenen Mann umgebracht?

Christopher Brookmyre ist für mich kein Unbekannter, hat er doch mit “Wer andern eine Bombe baut” eines meiner Lieblingsbücher des vergangenen Jahres geschrieben.
Dort zeigt er uns britischen Humor und Sarkasmus vom Feinsten, gepaart mit einer actionreichen Handlung.
So locker flockig kann man diesen Krimi allerdings nicht runterlesen. Konzentration ist angesagt, dafür wird man aber reich belohnt.

Bei “Das Ende” ist das anders. Ich musste während der Lektüre nicht so viel Konzentration aufwenden, sondern konnte mit Vergnügen sehr entspannt lesen. Dennoch ist die Story komplex und vor allem eines: Raffiniert!
Chris Brookmyre lockt seinen Ermittler Parlabane (und damit auch seine Leser) immer wieder auf Fährten bei welchen man denkt: Ja, genau, das ist die Lösung – um eine Seite später alle Theorien wieder über den Haufen zu werfen.
Wie das Ganze sich allerdings wirklich verhält, darauf wäre ich nie im Leben gekommen.
Das ist sehr spannend und alles andere als 0815.

Dazu tragen auch die Perspektivwechsel bei, denn es sind drei Personen, die ihre Version der Geschichte erzählen. Einmal ist da natürlich Jack Parlabane, der Journalist, den niemand mehr ernst nimmt, seit er über eine Story berichtete, die sich als komplette Finte herausgestellte.
Dann sind da die Polizisten Ali und Rodriguez, die die ersten an der Unfallstelle sind und den Fall übernehmen und natürlich ist da noch Diana selbst.
Aber ob sie uns wirklich die Wahrheit sagt, wissen wir auch nicht.

Das Tolle ist, dass bei allen kriminellen Machenschaften der Humor nicht zu kurz kommt, worunter der Berufsstand der Ärzte zugegebenermaßen schon sehr zu leiden hat.
Den Leser freut dies aber, denn zum einen ist das witzig, zum anderen erhält so Einblick in eine mehr oder weniger unbekannte Welt.

Man erfährt zum Beispiel, dass ein Verteidiger vor Gericht schon mal behauptet, dass “ein Mordopfer durch die Fahrlässigkeit eines Anästhesisten gestorben war und nicht etwa als Folge der vierzehn Axthiebe, die ihm sein Mandant nur Stunden zuvor versetzt hatte”.

Mit seiner Protagonistin Diana hat Brookmyre zwar eine Figur geschaffen, vor der sich viele Männer fürchten, doch zeigt er uns auch ihre verletzliche Seite.
Sie hätte gerne einen Freund, doch irgendwann kommt immer heraus, dass sie die “Bladebitch” ist und dann sieht niemand mehr den Menschen in ihr, sondern nur die “Männerhasserin”.

Tja und dann kommt Peter. Peter, der Informatiker, der genauso ist, wie Diana sich es immer gewünscht hat. Aufmerksam und liebevoll. Der sie überrascht und durch den sie ihre weiche Seite zeigen kann. Endlich.
Doch dann kommt Peters Wagen von der Straße ab und er fährt in einen See. Das junge Glück hat ein Ende. Wie furchtbar.

Aber war die Beziehung wirklich so glücklich?
Hat sich Diana vielleicht nur vorgegaukelt, ihren Traummann gefunden zu haben und dann gemerkt, dass Peter viele Fehler hat?
Ob sie ihn vielleicht zerstückelt hat (für sie als Chirurgin wäre dies ein Leichtes), weiß man nicht, denn, wie schon erwähnt, ist Peters Leiche unauffindbar.
Aber irgendwie verhält sich Diana seltsam. Das fällt auch den ermittelnden Beamten auf.
Aber vielleicht ist das reine Strategie.
Wer weiß?

Seinem Ermittler bzw. Journalisten Jack Parlabane hat Christopher Brookmyre bereits neun Romane gewidmet. In deutscher Übersetzung ist bisher nur ein weiterer Titel der Reihe (“Angriff der unsinkbaren Gummienten”) erschienen.
Anfang Oktober 2019 wird sich dies jedoch ändern , denn dann erscheint “Der Gefallen” (allerdings nur als eBook) und Ende November 2019 geht es mit “Dunkle Freunde” weiter.
Prima!

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ISBN: 978-3-499-27493-0
Verlag: Rowohlt
Übersetzung: Andrea O´Brian
Erscheinungsjahr: 2019
Seiten: 464
Preis: 13,00 €


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2 thoughts on “Chris Brookmyre: „Dein Ende“
Ingrid Härtel

Ich habe das Buch nach diesem Tipp gelesen. Es war spannend, tiefgründig und bis zur letzten Seite überraschend. Den Autor werde ich mir merken.

    Friederike

    Das freut mich sehr! Ich finde auch, dass er eine absolute Entdeckung ist. Inzwischen ist ja auch ein zweiter Band der Reihe erschienen („Dunkle Freunde“).
    Wenn Sie es etwas schräger mögen, könnten Sie auch in „Wer andern eine Bombe baut“ hineinlesen.
    Ich fand diesen Brookmyre-Krimi super, aber wie schon gesagt, sehr speziell…:).
    Hier der Link zu meiner Besprechung, die nicht zu viel verrät:
    https://www.diebuchbloggerin.de/christopher-brookmyre-wer-andern-eine-bombe-baut/

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