Als ich Amélie Nothombs Roman “Der japanische Verlobte” gelesen hatte, entdeckte ich, dass “Mit Staunen und Zittern”, ein Buch, das ebenfalls in Japan spielt, bei mir im Regal stand.
Zwar wusste ich, dass ich es bereits gelesen hatte und wollte nur noch einmal kurz hinein schauen, doch nach drei Sätzen war klar, dass ich mich Amélies Charme nicht entziehen konnte.
Also las ich dieses Buch erneut und auch dieses Mal mit sehr viel Vergnügen.
Amélie ist in Japan aufgewachsen und verspürt den dringenden Wunsch einmal in einem japanischen Unternehmen zu arbeiten. Jetzt hat sie es geschafft und fängt in der Firma Yumimoto an.
In Japan spielt die Hierarchie im Unternehmen eine ausnehmend wichtige Rolle und so fängt Amélie natürlich weit unten an: “Herr Haneda war Herrn Omochis Vorgesetzter, der Herr Saitos Vorgesetzter war, der Fräulein Moris Vorgesetzter war, die meine Vorgesetzte war. Was mich anging, so war ich niemandes Vorgesetzte.”
Gleich in den ersten zehn Minuten begeht Amélie einen Fauxpas: Sie meldet sich nicht am Empfang an und erntet dafür missbilligende Blicke von Herrn Saito.
In anderen Ländern hätte man dies schnell beiseite gewischt, doch nicht so in Japan und die Retourkutsche folgt auf dem Fuße: Amélies erste “Herausforderung” besteht darin die Einladung eines Herrn Adam Johnson zu beantworten, in welcher dieser Herrn Saito darum bittet mit ihm Golf spielen zu gehen.
Kein schwieriges Unterfangen – sollte man meinen.
Amélies erste Fassung wird von Herrn Saito jedoch schreiend zerrissen, so auch die Zweite und die Dritte, ohne zu sagen, was ihm daran missfalle. Amélie experimentiert schließlich mit sehr kreativen Abwandlungen doch nichts davon ist Herrn Saito recht.
Wer meint, diese Reaktion auf einen klitzekleinen Fauxpas sei schon schlimm, der lese bitte weiter, denn dies ist nur der Anfang.
Im Weiteren erfahren wir, weshalb es Frauen in japanischen Unternehmen nicht leicht haben und dass sie noch so erfolgreich sein können – wenn sie mit 25 nicht verheiratet sind, ist dies nach wie vor eine Schmach.
Wir erfahren, was “Das Amt des ehrenwerten Teeservierers ist”, weshalb ein Europäer bei dessen Ausübung nicht perfekt Japanisch sprechen sollte und wir lernen Fräulein Mori kennen, die nach außen hin nett und höflich ist. Wie schon gesagt, nach außen hin. Sie ist Amélies Vorgesetzte und rächt sich an ihr subtil für jeden noch so kleinen Fehler.
Das Schöne an diesem Roman ist die Art und Weise, wie Amélie Nothomb diesen Gemeinheiten begegnet: Mit viel Humor und Selbstironie, ohne die sie es bestimmt nicht ein ganzes Jahr lang in diesem Unternehmen durchgehalten hätte.
Was ich der Autorin auch hoch anrechne ist, dass sie aus den absurden Situationen, die sie erlebt, keinen Klamauk macht, sondern Verständnis für die Reaktionen der Menschen zeigt, die in einem System der Höflichkeit gefangen sind und deren Gesellschaft ihnen vorgibt, dass die Firma Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens ist.
Ich hatte sehr viel Vergnügen bei dieser Lektüre und wer noch mehr über Japan wissen möchte, dem lege ich Amélie Nothombs Werk “Der japanische Verlobte” ans Herz, in dem es um die angenehme, vielleicht erstmal befremdliche Seite Japans geht. Präsentiert wird diese Seite natürlich auch mit viel Humor, es ist ja schließlich Frau Nothomb die da schreibt.
Diese beiden Titel haben mich jedenfalls bestens auf meinen Japan-Urlaub eingestimmt und es werden bestimmt noch Besprechungen weiterer Bücher in diesem Kontext (und Romane von Amélie Nothomb, denn ihr Schreibstil begeistert mich sehr) folgen.
Ich bin sehr gespannt darauf, mehr von diesem Land zu erfahren.
P.S.: Dieses Buch ist ein Titel der Aktion #GoldenBacklist, in der es darum geht, das Augenmerk auf Titel zu lenken, deren Erscheinungsdatum schon länger (mehr als fünf Jahre) zurück liegt.
» Hier geht es zu meinen GoldenBacklist-Romanen.
ISBN: 978-3-257-23325-4
Verlag: Diogenes
Erscheinungsjahr: 2002
Übersetzung: Wolfgang Krege
Preis: 11,00 €
Das könnte Dir vielleicht auch gefallen:
- Jakob Arjouni: Hausaufgaben
- Amelie Nothomb: So etwas wie ein Leben
- Lily Brett: Lola Bensky
*Affiliate Link
Schreibe einen Kommentar