Isabell und Georg sind beide Mitte dreißig, gut situiert und seit Kurzem Eltern.
Sohn Matti geht es prima und Isabell möchte nun nach einer längeren Pause wieder in ihren Job (sie spielt Cello in einem Musical-Orchester) einsteigen.
Eigentlich kein Problem, denn ihre Arbeitszeiten sind immer am Abend und Georg kann dann gut auf Matti aufpassen.
Doch dann passiert etwas, mit dem Isabell nie gerechnet hätte: Ihre Hand beginnt während der Aufführung zu zittern und das bleibt den Kollegen im Orchester natürlich nicht verborgen.
Aber alle tun so, als hätten sie nichts bemerkt, denn es gab schon einmal einen Flötisten im Orchester mit dem gleichen Problem. Dieser Flötist musste letztendlich seinen Beruf aufgeben – eine furchtbare Vorstellung.
Deshalb verheimlicht Isabell auch ihr Zittern, so gut es geht und sucht einen Therapeuten auf – doch das alles hilft nichts: Sie verliert ihren Job.
Georg ist Redakteur und hat viel um die Ohren, denn er hat nicht nur Frau und Kind, sondern kümmert sich auch um seine Mutter Erika, die Witwe und sehr anhänglich ist.
Isabells Mutter ist da das komplette Gegenteil: Sie hat sich schnell ein eigenes, unabhängiges Leben aufgebaut und wohnt auch nicht mehr in der Stadt und das ist Isabell eigentlich auch ganz recht.
Ihre hilflos wirkende Schweigermutter geht ihr schon etwas auf die Nerven. Denn für Erika sind die Besuche des Enkelkindes ein absolutes Highlight und das stört Isabell sehr – zumal sie Matti dann immer zu viel Zucker zu essen gibt, weil sie es ja „nur gut“ mit ihm meint.
Alles läuft weiter vor sich hin, bis zu dem Tag, als die Hiobsbotschaft verkündet wird, dass Georgs Zeitung an einen Investor verkauft worden ist, der radikal Arbeitsplätze kürzen wird.
Georgs Job ist darunter.
Die Jobsuche beginnt und gestaltet sich sehr schwierig, was natürlich Folgen hat und zum Beispiel kein Einkauf im teuren Biomarkt mehr drin ist. Doch die beiden gehen sehr unterschiedlich mit der neuen Situation um: Während Georg jedes nicht dringend benötigte Licht ausknipst, kauft Isabell sich in einer teuren Boutique ein neues Kleid.
Kann das gut gehen?
Kristine Bilkau hat mit „Die Glücklichen“ einen ganz großen Wurf gelandet. Sprachlich und thematisch: Dieses Buch ist beeindruckend.
Die Personen sind so klar herausgearbeitet, die Lebenssituation von Georg und Isabell so realistisch gezeichnet, dass dieser Roman in mir ein ganz beklemmendes Gefühl ausgelöst hat.
Denn was passiert mit uns, wenn wir unsere Arbeit verlieren, die unsere Lebensgrundlage gewesen ist?
Was machen wir, wenn wir unser bisherig geführtes Leben in Frage stellen müssen, wenn wir das Gefühl haben, nicht mehr dabei zu sein, wenn wir es uns einfach nicht mehr leisten können? Welche Konsequenzen müssen wir daraus ziehen und was macht die Situation mit uns bezogen auf unser Miteinander und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen?
Für Georg und Isabell ist das alles noch schwieriger, denn sie gehören einer Generation an, die in dem Glauben aufgewachsen ist, dass alles möglich ist, dass sie alles schaffen können und dass sie immer einen gewissen Lebensstandard haben werden.
Beide haben den Anspruch an sich selbst, im Leben ohne Niederlagen auszukommen. Sie müssten voreinander zugeben, gescheitert zu sein, doch das können sie nicht. So weit sind die beiden nicht.
Das Thema, mit dem Kristine Bilkau sich auseinandersetzt ist keines, was allzu fröhlich stimmt, das ist klar.
„Die Glücklichen“ wühlt wirklich auf und macht nachdenklich – auch noch Tage nach der Lektüre.
Und das ist es, was gute Literatur ausmacht.
ISBN: 978-3-442-71458-2
Verlag: btb
Erscheinungsjahr: 2017
Seiten: 304
Preis: 10,00 €
Die gebundene Ausgabe dieses Titels ist 2015 bei Luchterhand erschienen.
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