Es ist zwar erst Juni, aber ich kann bereits vermelden, dass ich mein Highlight des Jahres 2018 gefunden habe: “Toni und Moni”.
In Schöngraben an der Rauscher ist die Welt noch in Ordnung. Wie soll sie denn auch sonst sein, wir befinden uns hier ja schließlich in einem Heimatroman! Mit Schnörkelschrift am Ende, viel Schunkelei und stets gut gelaunten Dorfbewohnern.
Der Toni jedenfalls ist besonders glücklich, denn er ist das Neujahrsbaby von Schöngraben an der Rauscher. Er hat es mit seiner Geburt direkt in die Zeitung geschafft. Das schafft nicht jeder! [1]
Und wenn doch, dann reden alle darüber, wie zum Beispiel, als das Rezept von der Mizzi-Oma, “Gekochte Rinderzunge nach Mizzi-Oma-Art” abgedruckt worden ist. Wenn der Toni erstmal verheiratet ist, will er auch, dass seine Frau mit einem Rezept in die Zeitung kommt.
Die Mizzi-Oma hat dann sogar noch einmal in die Zeitung geschafft. Zusammen mit dem Poldi-Opa. Das macht uns stolz:
“Bluttat in Schöngraben an der Rauscher
Viertes Familiendrama in Österreich binnen fünf Tagen. In Schöngraben an der Rauscher dürfte ein 61-jähriger laut Polizei seiner Ehefrau (57) den Kopf abgesägt und sich danach erhängt haben. Der Enkelsohn fand die beiden Leichen. Die Hintergründe der tat sind noch unklar.”
Wie es mit dem Toni weitergeht und ob er die Moni, von der im Titel die Rede ist, heiraten wird (aber eigentlich ist das ja klar, wir befinden uns hier ja in einem Heimatroman und da wird immer geheiratet, gell Frau Schriftstellerin??!), das erzählt uns Petra Piuk in diesem beißend bösen, hochoriginellen und ungemein witzig-zynischem Roman. Ein Buch, wie dieses habe ich bisher noch nicht lesen dürfen.[2]
Die Autorin belässt es aber nicht bei einer reinen Satire, sondern überrascht den Lesern stets mit neuen Ebenen, die zum Beispiel in den umfangreichen Fußnoten stattfinden.
“FUßNOTEN ???”, höre ich den Leser entsetzt aufschreien! JA FUßNOTEN! IHR WISST JA NICHT, WAS GUT FÜR EUCH IST!
In diesen Fußnoten jedenfalls kommunizieren die Autorin (Petra) und ihre Lektorin (Tanja) miteinander. Zum Beispiel darüber, dass wir jetzt schon auf S.91 sind und noch immer keine Bergszene vorgekommen ist!
Eine Bergszene ist allerdings nicht vorgesehen, so schreibt die Frau Autorin, was zu Komplikationen führt, zumal die Frau Lektorin das Cover schon in den Druck gegeben hat und da sind jetzt nunmal Berge drauf. Und wo Berge drauf sind, sollen auch Berge drin sein! Also Petra, setz Dich gefälligst hin und schreib was mit einer Bergszene! Das kann doch nicht so schwierig sein!
Des Weiteren gibt es zum Beispiel die Leserin Rosalinde F., die sich darüber beschwert dass die werte Frau Autorin keine Ahnung von modernen Bauernhofbetrieben hat. Frau Piuk soll bitte bei den Tatsachen bleiben, sonst liest Rosalinde nur “bis hierher und kein Wort weiter.”.
So kommt es, dass die Frau Petra Kapitel 6.11. (“Eine Geschichte zwischendurch: Stadtkinder machen einen Ausflug in einen modernen Betrieb”) einfügt: “Wir haben eintausend Schweinchen, ja so viele, wir haben sie halt gern, die Schweinchen. Wie sie so eng nebeneinander und übereinander stehen, im eigenen Kot[…]”.
Da soll mal einer sagen, die Autorin gehe nicht auf die Wünsche ihrer Leser ein![3]
“Toni und Moni” ist schlichtweg genial und bereits mit dem “Wortmeldung-Literaturpreis 2018” ausgezeichnet worden. Das ist schön, doch ich finde, für Petra Piuk sollte es Preise regnen. Meiner Ansicht nach hätte „Toni und Moni“ auf die Longlist des Deutschen Buchpreises gehört.
Außerdem schreibt die Autorin (im Gegensatz zur Großcousine vom Toni, die ja auch schriftstellerisch tätig ist) IHRE SÄTZE JA ZU ENDE!
Das gehört ausgezeichnet!
Darauf einen Marillenschnaps!
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[1]Die Mama hat den Zeitungsausschnitt in eine Klarsichthülle gesteckt und in der Stube als Erinnerung aufgehängt. Neben den Kalender von der Freiwilligen Feuerwehr, den Kalender vom Männergesangsverein und den Kalender vom Kameradschaftsbund.
[2] Danke an dieser Stelle an Bookster HRO, durch dessen Besprechung ich überhaupt erst auf dieses Buch aufmerksam geworden bin.
[3] “Rosalinde F. hat übrigens eine Dankes-E-Mail geschickt.” Sie freut sich darüber, dass sie im Personenregister angeführt wird und “wird mit Begeisterung weiterlesen”.
ISBN: 978-3-0369-6013-5
Verlag: Kein & Aber
Erscheinungsjahr: 2019
Seiten: 208
Preis: 12,00 €
Die gebundene Ausgabe dieses Titels ist 2017 bei Kremayr & Scheriau erschienen
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8 thoughts on “Petra Piuk: „Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman“”