Amélie Nothomb: “Winterreise”

Amélie Nothomb: “Winterreise”

Mein Vorhaben, mich durch Amélie Nothombs Werk zu lesen gedeiht, denn kürzlich habe ich “Winterreise” ausgelesen, ein Buch das schon ein paar Jahre in meinem Regal stand.
Wie zu erwarten, war auch dieser Roman Nothombs ein Treffer.

Ein Vertreter des männlichen Geschlechts hat beschlossen, ein Flugzeug in die Luft zu sprengen und überlegt nun, von welchem Flughafen aus er sein Projekt starten soll.
Seine Wahl fällt auf den Flughafen von Orly (Paris), zumal es dort keine Toilettenfrauen gibt.
Für ihn ist dies das ausschlaggebende Argument, da er es als sehr unangenehm empfindet, auf Menschen zu treffen, die seine Spuren beseitigen werden. Daher kommt für ihn kein anderer Flughafen der französischen Hauptstadt infrage. Da ist er konsequent.

Warum er sich überhaupt dazu entschlossen hat, ein Flugzeug zu zerstören, steht auf einem ganz anderen Blatt und hat mit seinem Beruf zu tun. Er inspiziert Wohnungen.
Bei einer seiner Inspektionen trifft er auf Astrolabe, die zusammen mit einer “schwachsinnigen” Schriftstellerin in einer unbeheizten Wohnung lebt. Er verliebt sich sofort in Astrolabe, doch sie hat nur Augen und Gefühle für diese “bekloppte” Schriftstellerin.
Wie frustrierend!
Ein paar Pilze könnten vielleicht Abhilfe schaffen…

Zunächst war ich etwas erstaunt, denn “Winterreise” ist eines der Bücher Nothombs, in welchem die Protagonistin nicht Amélie heißt und auch nicht weiblich ist.
Ich war so darauf fixiert, eine weibliche Protagonistin (wie in zum Beispiel “Der japanische Verlobte”), dass ich erst einmal ein paar Seiten gebraucht habe, um zu merken, dass in diesem Buch keine Amélie auftauchen wird. Was ja durchaus legitim und nicht weiter schlimm ist.
Denn wie immer hat mich der pointierte Schreibstil der Autorin, deren Einfälle schlichtweg genial und wunderbar absurd sind, überzeugt.

Wie zum Beispiel dieser: Der Protagonist des Romans ist gerade dabei Homer zu übersetzen, obwohl sein Vater bereits mehrfach trocken anmerkte, dass bereits hervorragende Übersetzungen dieser Schriften existieren.
Irgendwann fällt dem eifrigen jungen Mann auf, dass es einen Zusammenhang zwischen seinen Gängen zur Toilette und dem Fluss des Übersetzens geben müsse. Denn direkt nach einem seiner Toilettenbesuche, hat er sofort die richtigen Worte gefunden, nach welchen er zuvor vergeblich gesucht hatte.
Da drängt sich natürlich gleich die Frage auf, wie viel er denn trinken müsse, bis der Homer-Brocken zu Ende übersetzt sei… .

Es gibt so viele Stellen, die ich aus diesem Buch zitieren könnte. Schon alleine die Figur der “bekloppten” Autorin ist genial, doch ich nehme mich zurück und sage: Bitte lest doch selbst.
Entweder dieses, oder ein anderes Buch meiner Lieblings-Belgierin.

Wenn man jedoch noch nichts von Amélie Nothomb gelesen hat, so glaube ich, dass sich zum Beispiel „Mit Staunen und Zittern“ eher als Einstiegslektüre eignet. Denn „Winterreise“ ist eines ihrer schrägeren und absurderen Werke.
Alle Romane, die ich bisher von ihr gelesen habe, haben mich mit ihrem originellen und zuweilen sehr schwarzen Humor extrem unterhalten – und das schätze ich sehr.
Ich wünsche viel Vergnügen!

» zur Leseprobe

P.S.: Dieses Buch ist ein Beitrag zur Aktion #GoldenBacklist, bei er es darum geht, Romane in den Fokus zu rücken, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt.


ISBN: 978-3-257-24209-6
Verlag: Diogenes
Erscheinungsjahr: 2011
Übersetzung: Brigitte Große
Seiten: 128
Preis: 8,90 €


Das könnte Dir vielleicht auch gefallen:

2 thoughts on “Amélie Nothomb: “Winterreise”
Manuela

Vielen Dank für den Tipp mit Amélie Nothomb, ich habe diese Woche das erste Buch gelesen (Pétronille) und lauthals gelacht. Es macht definitiv Lust auf mehr!
Viele Grüße, Manuela

Friederike

Liebe Manuela,

das ist ja prima! „Die Kunst Champagner zu trinken“ muss ich auch unbedingt noch lesen!

Viele Grüße,
Friederike

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Archive