Die Literatur-Beilage der ZEIT zur Leipziger Buchmesse 2017

Die Literatur-Beilage der ZEIT zur Leipziger Buchmesse 2017

“Hätte man alle Bücher gelesen, nichts würde einen überraschen. Da wir aber nie alles lesen können, bleibt die Welt unvorhersehbar…”
Das schreibt Ijoma Mangold in seinem Vorwort zur aktuellen Literatur-Beilage der Zeit und bezieht sich dabei darauf, dass Literatur zwar langsamer geschieht, als die täglichen Nachrichten, doch dass das kein Nachteil sein muß.

Wie zum Beispiel im Falle des Psychoanalytikers Fethi Benslama, der seinem Stoff jahrelang treu geblieben und nun der Mann der Stunde ist: Er kann erklären, weshalb sich junge Muslime radikalisieren.
Seine Thesen und Analysen hat er in seinem Buch “Der Übermuslim”, das bei Matthes & Seitz am 20.3.2017 erscheinen wird, aufgeschrieben. 

Dieses und weitere Neuerscheinungen des Frühjahrs aus den Bereichen Belletristik und Sachbuch werden in dieser Zeit-Beilage vorgestellt.
Das sind meine Highlights:

Chris Kraus: “Das kalte Blut”

In diesem umfangreichen Werk geht es um zwei deutschbaltische Brüder, die sehr unterschiedlich sind, sich jedoch sehr lieben. Hub ist sehr extrovertiert, während Kolja empfindsam ist und sich vorstellt, ein Leben als Künstler zu führen. Doch die politische Situation läßt dies nicht zu und so kommt es, dass er von Hub in die NS-Bewegung hineingezogen wird.

Kolja ist Obersturmführer der SS, als sich herausstellt, dass seine Adoptivschwester Ev, die sowohl er, als auch Hub in einer eher nicht brüderlichen Art und Weise lieben, jüdische Wurzeln hat. Kolja bewahrt sie vor dem sicheren Tod, zieht mit ihr nach Israel und kann ihr aber nie die Wahrheit über sich sagen. Während er selbst sich immer mehr in Lügen verstrickt, inzwischen ist er Doppelagent und arbeitet für den BND, versucht Ev herauszufinden, was damals wirklich geschehen ist.

Im Interview sagt Chris Kraus, der nicht mit der amerikanischen Schriftstellerin Chris Kraus (“I love Dick”) zu verwechseln ist, dass er sich in “Das kalte Blut” mit der Geschichte seines Großvaters auseinandersetzt, der in Lettland in der SS gewesen ist und während der “Operation Barbarossa” selbst Juden hingerichtet hat. Er, wie auch viele weitere SS-Männer, konnten einer Strafverfolgung entkommen. Einer der Gründe dafür war die Tatsache, dass er für westliche Geheimdienste tätig gewesen ist.

Des Weiteren erzählt Chris Kraus, dass er ein großer Fan der Serien “Homeland” und “Breaking Bad” sei, was vielleicht auch erklärt, weshalb sein Roman sich lese, wie eine amerikanische HBO-Serie, so formuliert es der Zeit-Journalist Tomasz Kurianowicz. Dabei hebt er das hohe Tempo des Romans und die „unerhörten Cliffhanger“ hervor. Dass Chris Kraus (dessen Film „Die Blumen von gestern“ im Januar Kinopremiere feierte und in acht Kategorien für den Deutschen Filmpreis 2017 nominiert ist) plant, auf der Grundlage des Buches eine achtteilige Fernsehserie zu machen, überrascht daher nicht.

Gespannt dürfen wir also sein, auf das Buch, das am 22.März erscheint und vielleicht auch auf ein TV-Ereignis in naher Zukunft. Ich freue mich sehr darauf.

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Anna Kim: “Die große Heimkehr”

Anna Kim kam mit zwei Jahren mit ihren Eltern von Südkorea nach Deutschland bzw. Österreich. Ihr Vater studierte “westliche Malerei”, ihre Mutter Germanistik, die Gründe aus Südkorea fort zu gehen, waren akademischer Natur.
Anna Kim selbst studierte Theaterwissenschaften und Philosophie, bevor sie 2004 ihren ersten Roman “Die Bilderspur” veröffentlichte. 2005 las sie beim Bachmann-Preis in Klagenfurt.
Danach folgten die Romane “Die gefrorene Zeit”, in welchem es um die 30.000 Menschen geht, die nach dem Jugolsawienkrieg als vermisst gemeldet worden sind und “Anatomie der Nacht”, in dem es sich darum dreht, dass sich in der Nacht vom 31. August auf den 1. September 2008 in einer kleinen Stadt in Grönland elf Menschen das Leben nehmen.

Nun hat Anna Kim mit “Die große Heimkehr” zu ihren eigenen Wurzeln zurückgefunden, so könnte man meinen, doch im Interview mit Ijoma Mangold erzählt die Autorin, dass dies nicht der Fall sei.
Sie habe keinen Roman geschrieben, weil sie sich für die Geschichte ihrer Familie interessiere, sondern sie habe sich für die politische Situation Nord- und Südkoreas interessiert und erst so sei ihr Interesse für ihre eigene Familiengeschichte geweckt worden.

Das Thema ihres Buches ist “Die große Heimkehr”, die Diktator Kim Il Sung 1960 ausrief und allen Koreanern, die in Japan lebten, Unterkünfte und Arbeit versprach, wenn sie nach Hause kommen würden.
Anna Kim habe nun um dieses Ereignis einen Roman gebaut, der den Zeitraum zwischen dem Ende der japanischen Kolonialherrschaft, dem Bürgerkrieg, der Teilung des Landes in Nord und Süd und der Übernahme der Macht durch das Pak-Regime in Südkorea im Jahr 1960 abdeckt, so Ijoma Mangold.
Des Weiteren gehe es um das ständige Klima der Überwachung, denn wenn jemand zum Beispiel während des Bürgerkrieges von Nord- nach Südkorea kam und Verwandtschaft in Nordkorea hatte, so wurde er verdächtigt ein Spion zu sein und somit überwacht, verhört und unter Umständen auch eingesperrt.

Konkret geht es im Roman um Johnny Kim, seine Freundin Eve Moon und seinen besten Freund Yunho Kang. Sie sind auf der Flucht vor einem Schlägertrupp, der im Dienst der Regierung unterwegs ist. Schließlich entschließen sie sich nach Japan zu fliehen, was illegal ist, doch auch dort bekommen sie Probleme.
Ein Mädchen ist verschwunden und es wird behauptet, dass Johnny damit etwas zu tun habe.

Meine Kollegin liest dieses Buch gerade und meinte, dass sie sich wohl mehr über die Geschichte Süd- und Nordkoreas informieren müsse, um auch die Feinheiten des Romans erfassen zu können.
Sie habe etwas anderes von diesem Buch erwartet. Betrachte ich jetzt einmal rein das Cover, so hätte ich das auch: Vielleicht eine Art Lebensgeschichte, wie sie der Titel impliziert. Doch Anna Kims Roman scheint sehr komplex zu sein und ich bin mir nicht sicher, ob ich mich dem gewachsen fühle.
Aber hineinlesen werde ich auf jeden Fall.  

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Obige Annahmen bestätigt auch Marcus Kufner vom BücherKaffee, doch lautet sein abschließendes Urteil: “Hochinteressant und packend! “

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Dirk Kurbjuweit: “Die Freiheit der Emma Herwegh”

Dirk Kurbjuweits Romane schätze ich sehr. “Angst”, als auch “Die Kriegsbraut” habe ich mit Begeisterung gelesen. Nun hat er sich an einen historischen Stoff gewagt.

Emma kommt aus gutem Hause und als sie beschließt den revolutionären Dichter Georg Herwegh zu heiraten, ist ihr Umfeld entsetzt. Doch Emma ist fest entschlossen und bereit, ihm und seinen politischen Ansichten zu folgen: Sie tritt in die Freiwilligenarmee “Deutsche Demokratische Union” ein, als einzige Frau.
Persönlich erlebt sie jedoch Niederlagen, die sie zu überspielen versucht: Ihr Mann hält sich eine ständige Geliebte in Paris.
In diesem Roman gehe es “Um den quälenden Kontrast zwischen politischer Unerschrockenheit und persönlicher Unterwürfigkeit”, so die Zeit-Autorin Ursula März.

Ich muß gestehen, dass ich mich zunächst auf “Den neuen Kubjuweit” gefreut habe, doch dann vom Thema nicht so sehr angetan war. Aber vielleicht sollte ich meine Bedenken beiseite wischen.
Ursula März kritisiert zwar, dass es so scheine, als ob der Autor sich nicht habe entscheiden können, ob er nun die getragene, oder sie moderne Sprachvariante wählen solle und daher einfach beides gemischt habe, was nicht optimal gelungen sei, kommt jedoch zu dem Schluß, dass es sich um ein “spannend zu lesendes” Buch handele.
Vielleicht sollte ich doch einen Blick hineinwerfen.

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Ruth liest hat dieses Buch bereits besprochen und Dennis Scheck sprach mit Dirk Kurbjuweit in der Literatursendung lesenswert über sein neuestes Werk.

Leonhard Horowski: “Das Europa der Könige”

Nach diesem Buch wurde ich in den letzten Tagen in der Buchhandlung viel gefragt und eine Kundin erzählte mir, dass es im Bayrischen Rundfunk so gut besprochen worden sei.
Bisher kannte ich nur das Cover, wußte, wo der Bücherstapel lag und dass dieses Buch für den Preis der Leipziger Buchmesse im Bereich Sachbuch/Essayistik nominiert ist, doch Dank des Artikels von Stephan Speicher, weiß ich nun, um was es genau geht.

Leonhard Horowski, der über den Hof von Versailles promovierte und über brandenburg-preußische Staatsminister habilitierte, ist neben seiner Lehrtätigkeit auch Berater für Dokumentationen wie “Mätressen.Die geheime Macht der Frauen”, die erstmals 2005 auf arte ausgestrahlt worden ist.

In seinem Werk  “Das Europa der Könige” stelle er uns nun, in für einen Historiker sehr ungewohnten Ton, so der Zeit-Autor Stephan Speicher, dynastische Verflechtungen und Hofintrigen des 17. und 18. Jahrhunderts vor. Dabei spare er nicht an kleinen Geschichten und Anekdoten, die den Leser heute amüsieren, damals jedoch bierernst gewesen sind.

Manche Dinge kämen einem dabei total irrsinnig vor und bedenke man dabei, dass es sich dabei um vernünftige Leute handele, so komme man ins Grübeln darüber, dass man in der heutigen Zeit vielleicht auch Dinge tue, einfach weil alle sie tun. Genauso, wie die Menschen damals.
In 300 Jahren werden dann über uns vielleicht alle denken, dass wir irrsinnig gewesen seien – man müsse da nur zum Beispiel die Kämpfe des Spitzenmanagements betrachten.

In Horowskis Werk geht es zum Beispiel darum, dass der König von England kein Englisch spricht, der König von Spanien kein Spanisch und der polnische König kein Polnisch. Absurder wird es, als der englische König dem polnischen König anbietet, König von Sizilien zu werden nur um dem spanischen König eins reinzuwürgen.

Das klingt doch sehr unterhaltsam!

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2 thoughts on “Die Literatur-Beilage der ZEIT zur Leipziger Buchmesse 2017
Petra

Das scheint eine Beilage für mich zu sein! Anna Kim habe ich gerade beendet und Hisham Matar gerade begonnen 😉

    Friederike

    Und,? Was sagst Du zu Anna Kim?

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