Anna Woltz: “Für immer Alaska”

Anna Woltz: “Für immer Alaska”

Wer denkt, dass es sich bei diesem Buch um einen süßen Roman über einen Hund handelt, der wird sich wundern, denn Autorin Anna Woltz widmet sich weitaus tieferen Themen.

Parker und ihre Hündin Alaska waren ein Herz und eine Seele. Doch diese Zeit ist leider vorüber, denn einer ihrer Brüder hat eine Tierhaarallergie und daher musste Alaska die Familie verlassen. Seitdem fühlt Parker eine große Leere in sich.

Sven ist der Neue in Parkers Klasse und er freut sich überhaupt nicht auf seinen ersten Tag in der neuen Schule. Denn seine Mutter wird ihn wieder bis vors Schultor fahren und sicherlich nach der Schule vor eben diesem warten. Es ist so peinlich.
Svens Eltern machen sich rund um die Uhr Sorgen um ihren Sohn, was allerdings medizinisch nicht unbegründet ist.

Vor einiger Zeit haben sie angefangen, diese Anfälle. Sie kommen aus dem Nichts und wenn Sven wieder aufwacht, kann er sich an nichts erinnern. Nur eines ist immer gleich: Die besorgten Gesichter um ihn herum.
Sven hat Epilepsie. Und er hasst es.
Er hasst, zu wissen, dass er in der neuen Klasse gleich einen kurzen Vortrag darüber halten wird, dass man doch bitte erst einen Krankenwagen rufen möge, wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert.
Er hasst es, der Freak zu sein, den alle bemitleiden und hat sich daher vorgenommen an seinem ersten Schultag etwas Krasses zu machen. Etwas Großes, an das sich alle erinnern und die Anfälle, die ja auf jeden Fall kommen werden, klein erscheinen lassen.
Das Blöde ist nur: Ihm fällt nichts ein…
Und wie erwartet holt ihn seine Mutter natürlich nach dem Unterricht am Schultor ab. Zusammen mit seinem neuen Assistenzhund: Alaska.

Im Folgenden erfahren wir nicht nur, wie Parker versucht, ihren geliebten Hund zurückzuholen und notfalls sogar zu entführen, nein, wir werden auch Zeuge davon, dass es zwei Svens gibt. Einmal den, der sich in der Schule nichts sagen läßt und auch nicht davor zurückschreckt fiese Bemerkungen auszuteilen, um zu verhindern, dass sich andere über ihn lustig machen.
Zum anderen erleben wir den Sven, der sich vollkommen ausgeliefert fühlt. Die Epilepsie schränkt ihn ungeheuer ein. Er darf zum Beispiel nicht mehr Fahrrad fahren und auch sonst keinen Sport mehr betreiben.
Außerdem kann er seinen neuen Assistenzhund nicht leiden, denn seine Anwesenheit zeigt allen Menschen: Mit dem Jungen stimmt was nicht.

Parker hingegen hat neben der Abwesenheit Alaskas ganz andere Sorgen. Seit das Foto-Geschäft ihrer Eltern überfallen worden ist, ist ihr Vater nicht mehr der Alte. Er sitzt nur noch zu Hause und starrt auf die Video-Überwachung des Ladens.
Parker hat die Schuhe des Mannes gesehen, der das Geschäft überfallen hat und ist seitdem vor allem mit einem beschäftigt: Aufmerksam zu sein, um
die (sehr markanten) Schuhe wiederzufinden. Außerdem ist sie ständig damit beschäftigt, sich alles in ihrer Umgebung einzuprägen, um eine gute Zeugin zu sein, falls so etwas wieder passiert.

Dass Anna Woltz keine Autorin für zuckersüße Sommerromane ist, war mir von vorne herein klar. In ihren Büchern schwingen immer zeitkritische bzw. gesellschaftsrelevante Themen mit. In “Gips” geht es zum Beispiel auch um Scheidung, in “Hundert Stunden Nacht” um unsere Abhängigkeit von Strom bzw. Technik.
Dass es in “Für immer Alaka” also nicht nur um einen Hund gehen konnte, war mir bewusst und da es sich um einen Assistenzhund handel, wie der Klappentext verrät, musste es sich um eine gesundheitliche Einschränkung handeln.
Anna Woltz nähert sich der Thematik der Epilepsie sehr behutsam und so können wir in die Gefühlswelt eines Jungen eintauchen, der doch nur eines möchte: Ganz normal zu sein.
Das ist die eine Seite der Geschichte.

Auf der anderen Seite haben wir Parker und hier wurde ich sehr überrascht. Denn anstatt uns einfach die Geschichte eines Mädchens zu erzählen, das seinen Hund liebt, greift Anna Woltz nach etwas ganz anderem: Nach der Rolle der Angst in unserer Gegenwart. Wie weit lassen wir diese Angst in unser tägliches Leben?
Parkers Vater hat die Angst aufgefressen. Er ist während des Überfalls angeschossen worden und hat seitdem dicht gemacht. Parkers Mutter hingegen, steht weiterhin jeden Tag im Geschäft, denn sie sagt, dass man sich auf keinen Fall einschüchtern lassen darf. Die Angst darf nicht den Alltag bestimmen.

Und Parker? Parker will einfach alles richtig machen. Die Polizei hat ihr gesagt, dass man sich in einer solchen Situation alles einprägen muss: Die Statur, die Haarfarbe, die Schuhe des Täters. Darauf hat Parker während des Überfalls nicht geachtet und deshalb konzentriert sie sich jetzt auf jede Kleinigkeit.
Außerdem stellt sie sich ständig eine Frage: “Wie machen die Leute das? Wie leben sie einfach weiter, obwohl sie wissen, dass jeden Moment alles schiefgehen kann?”
In gewisser Weise fragt Sven sich das auch. Jeden Tag.

Anna Woltz vereint diese Themen gekonnt und auf sehr subtile Art und Weise.
Die Altersempfehlung des Verlags hat mich jedoch etwas stutzig werden lassen. Denn in der Altersstufe ab 10 Jahren sehe ich dieses Buch nicht.
Begonnen habe ich “Für immer Alaska” mit dem Gedanken “Kinderbuch ab 10”, doch während des Lesens fühlte sich dies irgendwie nicht richtig an. Als ich mich gedanklich auf “ab 12/13” umgestellt hatte, ging es mir wesentlich besser.
„Für immer Alaska“ ist ein tolles und tiefes Buch, das meiner Ansicht nach eine gewisse Reife benötigt und über welches es sicherlich Redebedarf geben wird.

Ab 12 Jahren.

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ISBN: 978-3-551-55378-2
Verlag: Carlsen
Erscheinungsjahr: 2018
Übersetzung:  Andrea Kluitmann
Seiten: 176
Preis: 12,00 €


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